Im Kanton St.Gallen haben die Schülerinnen und Schüler die Wahl zwischen den Fächern «ERG Schule» und «ERG Kirche». Unterrichtet werden die Wahlpflichtfächer von Lehrpersonen der Schule oder der Kirche. Eine Motion fordert nun, dass ab kommendem Schuljahr die Schule alleine für das Fach «ERG» verantwortlich ist.
Drei Motionäre wollen, dass das Schulfach ERG nur durch Lehrkräfte der Schule unterrichtet wird, Herisauer Nachrichten, 29.10. von Marino Walser
Kanton «Ethik, Religion, Gemeinschaft» (ERG) wird im Kanton St.Gallen als Wahlpflichtfach «ERG Kirche» beziehungsweise «ERG Schule» angeboten. Die Eltern müssen entscheiden, ob ihr Kind von Lehrpersonen der Schule oder der Landeskirchen unterrichtet wird. Dieses Model ist schweizweit ein Sonderfall. Das soll sich ab dem nächsten Schuljahr ändern. Der Gossauer Ruedi Blumer (SP), Katrin Frick (FDP) aus Buchs und Sandro Wasserfallen (SVP) aus Rorschacherberg reichten im Kantonsrat eine Motion ein, welche die Regierung auffordert, einen Entwurf für das Schuljahr 2021/22 vorzulegen, der den Unterricht in der Volksschule für das Fach «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» durch die Schule gesetzlich verankert. Im Vorfeld der Umsetzung des Lehrplans 21 in der St.Galler Volksschule wurden zwei Varianten für das Wahlpflichtfach «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» diskutiert. Eine Variante sah vor, dass ERG ausschliesslich durch die Schule unterrichtet wird, die andere Variante teilte das Fach ERG zwischen der Schule und den Landeskirchen auf.
Machten Kirchenvertreter Druck?
In der Vernehmlassung zum Lehrplan 21 wurde die Teilung dann mehrheitlich abgelehnt. «Erst, als die Kirche Druck auf die Regierung ausübte, ruderte diese zurück», sagt Motionär Wasserfallen. Die Regierung entschied sich schlussendlich für einen Kompromiss: Während der Unterricht seit dem Schuljahr 2017/18 in der 1. und 2. Primarklasse die ERG-Inhalte ohne Beteiligung der Landeskirchen im Rahmen des Schulfachs «Natur, Mensch, Gesellschaft» behandelt, wird das obligatorische Fach ERG ab der 3. Primarklasse aufgeteilt. «ERG Schule» wird von schulischen Lehrpersonen und «ERG Kirchen» eben von Religions-Lehrpersonen unterrichtet. Letztere sind den Landeskirchen und nicht der kantonalen Schulaufsicht unterstellt. Martin Schmidt, Präsident des Kirchenrats der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen, widerspricht der Aussage Wasserfallens und stellt rhetorisch die Frage, womit man denn hätte Druck ausüben können. Die Kirche habe lediglich in den ihr zur Verfügung stehenden Gremien und Kommissionen verhandelt und Argumente eingebracht. Beim Entscheid über die Motion stehe aber viel auf dem Spiel, sagt Schmidt und spricht zum einen die knapp 300 kirchlichen Lehrkräfte im Kanton an, die das Fach «ERG Kirche» unterrichten. Würde die Motion in der Regierung Anklang finden, würden viele von ihnen den Job verlieren. Zum andern hätten die Kirchen grosse finanzielle Ressourcen eingesetzt, um mit Staat und Schule die aktuelle Lösung aufzubauen. «Aus unserer Sicht wäre es ein grosser Verlust, wenn die Kirchen nun nicht mehr in ERG vertreten wären», so Schmidt.
Nicht mehr zeitgemäss
Die Motionäre dagegen halten fest, dass die Teilung der Klassen ausgerechnet in einem Fach, welches das Wort «Gemeinschaft» im Namen trägt, störend sei. Es sei wichtig und fruchtbar, ethische, religiöse und gemeinschaftliche Themen mit der gesamten Klasse zu besprechen. Ausserdem sei es nicht mehr zeitgemäss, in einer säkularen Gesellschaft den Konfessionen ein solches Gewicht im Lehrplan der Volksschule zu geben. Man habe festgestellt, dass häufig reformierte und katholische Schüler das Fach «ERG-Kirche» besuchten, muslimische und konfessionslose Schüler dagegen «ERG-Schule». Die Motionäre sehen vor, dass der herkömmliche Religionsunterricht auf freiwilliger Basis bestehen bleiben soll. Gemäss Schmidt wolle die Kirche aber ihren Einsatz zugunsten der ganzen Gesellschaft leisten und nicht nur für ihre eigenen Mitglieder. «Die fachlichen Kompetenzen der Kirchen im Fach ERG sind unbestritten. Auf sie zu verzichten, wäre ein Verlust für die ganze Schule. Im Religionsunterricht, der dann freiwillig an den Randstunden stattfinden würde, kann das nicht geleistet werden», sagt Schmidt.
Entscheid bis Ende Jahr erwartet
Nach dem Ende der Vernehmlassung führt das Amt für Volksschule die Rückmeldungen zusammen und wertet diese zuhanden des Bildungsrates aus. Danach muss die Regierung die Anpassung des Lehrplans genehmigen. Bis Ende Jahr soll feststehen, welche Änderungen vorgenommen werden und ab dem nächsten Schuljahr geltend sind.
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