Unicef, das Kinderhilfswerk der UNO, ist in grosser
Sorge um das Wohl der Kinder – auch in der Schweiz. «Die Kinder sind die
versteckten Opfer der Pandemie», sagt die Geschäftsleiterin von Unicef Schweiz,
Bettina Junker. Gleich mehrfach seien Kinderrechte derzeit verletzt: Das Recht
auf Bildung, das Recht, sich frei mit anderen Kindern zu treffen, das Recht auf
Freizeit und Spiel.
Lehrer können ihre Kontrollfunktion nicht ausüben, SRF, 1.4. von Gaudenz Wacker
Schule hat eine Kontrollfunkion
Hinzu kommt: Seien Familien über längere Zeit auf
engem Raum eingepfercht wie jetzt, stiegen die Spannungen, warnt etwa die
Organisation Kinderschutz Schweiz. Dabei könne es womöglich zu vermehrter
Gewalt in den Familien kommen, befürchtet Geschäftsleiterin Regula Bernhard.
«Wir wären deshalb sehr froh, wenn die Schulen ab dem 19. April wieder schrittweise
geöffnet würden» – um die Kinder zu schützen.
Ähnliches wünschen sich die Kindesschutzbehörden
(Kesb). Der Präsident der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Guido
Marbet, betont zwar, dass die Kesb alle Notmassnahmen des Bundes voll und ganz
unterstützen. Aber wegen der Schulschliessungen hätten Lehrpersonen Kinder, die
ohnehin schon gefährdet seien, nicht mehr richtig im Blick.
Weil die Schulen keinen Kontakt zu den Kindern
hätten, gebe es derzeit womöglich keine Gefährdungsmeldungen. Deshalb wünscht
sich Marbet, dass vor allem die jüngsten Schülerinnen und Schüler bald wieder
zur Schule gehen können. «So kann die Kontrollfunktion der Schule wieder spielen.»
Unterricht in kleineren Gruppen?
In der Tat seien Kinder bis zwölf Jahre
grundsätzlich am stärksten von häuslicher Gewalt betroffen, sagt Bernhard von
Kinderschutz Schweiz. Deshalb sollten als Erstes die Grundschulen schrittweise
wieder geöffnet werden. «Beispielsweise könnte eine Lehrperson eine Gruppe von
fünf Kindern unterrichten – immer die gleichen fünf Kinder», so ihr Vorschlag.
So hätte die eine Gruppe Kinder zum Beispiel
montags und mittwochs Schule, eine andere dienstags und donnerstags und so
weiter. Das allerdings löst Stirnrunzeln bei Lehrpersonen aus. Sie könne schon
jetzt die Diskussionen hören, wer dann am Montag kommen dürfe und wer am
Freitag, sagt Lehrerverbandspräsidentin Dagmar Rösler.
Wie Schüler und Lehrer vor Ansteckung
schützen?
Ohnehin sei es in einer Pandemie schwierig, sowohl
Kinder als auch Lehrerinnen und Lehrer in der Schule richtig zu schützen, so
Rösler weiter. Vor allem die Distanzregeln seien beim Unterrichten von Kindern
stets nur sehr schwer einzuhalten. «Wir müssen an den Schutz von Lehrern und
Kindern denken», betont sie. Der Schutz der ganzen Bevölkerung habe Vorrang vor
der raschen Schulöffnung.
Es gilt, einen Zielkonflikt zwischen dem Schutz von
allen und dem Schutz von Kindern – etwa vor häuslicher Gewalt – zu lösen. Dabei
steht auch das Kinderhilfswerk Unicef hinter dem Schutz der ganzen Bevölkerung.
Sollten die derzeit geltenden, starken Einschränkungen allerdings über Monate
weitergeführt werden, «werden wir unsere Forderung überprüfen», sagt Junker von
Unicef Schweiz.
Wie lange die Schulen in der Schweiz noch
geschlossen bleiben, ist derzeit offen. Erste Antworten dazu sind vom Bundesrat
wohl vor Ostern zu erwarten.
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