Ab August ist es so weit: Baselland führt im
kommenden Schuljahr als erster Kanton in der Volksschule die geleitete
Lehrmittelfreiheit über alle Fächer ein. Künftig können Lehrer aus einer vom
Bildungsrat abgesegneten Liste ihre Lehrmittel auswählen. So wollte es das
Stimmvolk. Recherchen der bz zeigen nun aber, dass die neu gewonnene Freiheit
just bei dem Lehrmittel nicht greift, das die ganze Bewegung ausgelöst hatte.
Die Lehrmittelfreiheit muss warten: "Mille feuilles" vorerst obligatorisch, BZ Basel, 3.1. von Michael Nittnaus
Der Entscheid des Baselbieter Stimmvolks Ende
November war wegweisend: Gleich 85 Prozent sagten Ja zur Einführung einer
geleiteten Lehrmittelfreiheit an der Volksschule. Eine Pionierleistung, der
mehrere Deutschschweizer Kantone nacheifern wollen. Die Freiheit gilt ab dem
kommenden Schuljahr zwar für alle Fächer, doch besteht kein Zweifel, dass es
der Bevölkerung dabei vor allem um die Aufhebung des Monopols der
Passepartoutlehrmittel ging: «Mille feuilles» und «Clin d’Oeil» in Französisch
sowie «New World» in Englisch.
Ihnen müssen nun weitere taugliche Lehrmittel zur
Seite gestellt werden, die Lehrer an deren Stelle verwenden dürfen.
Arbeitsgruppen evaluierten seither pro Fach und Schulstufe Alternativen und
erstellten eine Lehrmittelliste. Am 18. Dezember befand der Bildungsrat
definitiv darüber. Offiziell kommunizieren möchte er aber erst in der zweiten
Januarhälfte, wie es auf Anfrage heisst.
Starke Schule fordert «Léo et Théo» statt Mille
feuilles
Schon kurz vor dem definitiven Entscheid
attackierte die Passepartout-kritische Starke Schule beider Basel die Auswahl
der Arbeitsgruppen bei den Fremdsprachen. In einer Mitteilung bemängelte sie,
dass die Arbeitsgruppe Französisch Primar für die ersten beiden
Unterrichtsjahre in der 3. und 4. Klasse dem umstrittenen Mille feuilles
weiterhin keine Alternative zur Seite gestellt habe – trotz des verbindlichen
Auftrags. Laut der Interessen-Gruppierung gebe es mit «Léo et Théo» des
italienischen Verlags Eli aber ein «sehr gutes Lehrmittel, das ideal für die 3.
und 4. Primarklasse eingesetzt werden kann».
Jürg Wiedemann von der Starken Schule sagt auf Anfrage,
dass sich mehrere Baselbieter Primarlehrer bei ihm gemeldet hätten, die Léo et
Théo bereits weitgehend oder ergänzend mit Erfolg einsetzen. Diese hätten
kürzlich der Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind, die von Amtes
wegen Präsidentin des Bildungsrates ist, einen Brief geschrieben mit der Bitte,
Léo et Théo doch noch auf die definitive Liste zu nehmen. «Ich glaube, dass
Monica Gschwind auch eine Alternative zu Mille feuilles will und der
Bildungsrat die Liste der Arbeitsgruppe noch ergänzen könnte», sagt Wiedemann.
Doch wie die «bz» weiss, folgte der Bildungsrat am
18. Dezember der Empfehlung der Arbeitsgruppe. Einzig im Englisch auf
Primarstufe nahm er mit «English Plus» noch ein weiteres Lehrmittel als
vollwertige Alternative zu New World auf die Liste. Das bedeutet, dass Mille
feuilles zumindest im Schuljahr 2020/21 für Dritt- und Viertklässler die
einzige Option bleibt.
Mit «Ça roule» kommt erst 2021 eine Alternative auf
den Markt
Etwas zu spät, im Januar 2021, plant der Verlag
Klett und Balmer. mit «Ça roule» eine Alternative für die 3. Primarklasse auf
den Markt zu bringen, wie Geschäftsführerin Irene Schüpfer mitteilt. Drei
weitere Bände für die 4. bis 6. Klasse sollen im Jahresrhythmus folgen. Laut
Schüpfer ist es nicht möglich, die Veröffentlichung vorzuziehen: «Wir arbeiten
seit 2018 mit Hochdruck an Ça roule und hoffen, dass es Mille feuilles bald als
Hauptlehrmittel ablösen kann, doch ein Jahr müssen sich die Kantone noch
gedulden.»
Doch warum wurde Léo et Théo abgelehnt? Die bz konnte
mit der Primarlehrerin Françoise Kessler reden, die in der Arbeitsgruppe sitzt:
«Wir haben dieses Lehrmittel seriös geprüft, doch damit können unsere Schüler
die Lernziele nicht erreichen. Grundsätzlich ist es für jüngere Kinder
gemacht.» Letzterem widerspricht der Ingold Verlag, der Léo et Théo in der
Schweiz vertreibt. Es sei bis zur 4. Primar konzipiert. Ab der 5. Klasse
schliesse mit «Vite» das nächste Lehrmittel des Eli-Verlags an.
Ingold-Leiter Martin Kaufmann sagt aber selbst:
«Damit Léo et Théo als Grundlagenlehrmittel für den Schweizer Markt
funktioniert und dem Lehrplan entspricht, bräuchte es eine Adaption.» Dies an
die Hand zu nehmen, reizt Kaufmann zwar, doch gebe es noch kein konkretes
Projekt. Bisher sei der Schweizer Lehrmittelmarkt nämlich von staatlichen
Verlagen dominiert worden. Erst jetzt gebe es Bewegung. Aber: «Bis kommendes
Schuljahr ist das nicht zu schaffen, denn was wir nicht wollen, ist ein
Schnellschuss.»
Diese Franzi- und Englischlehrmittel stehen neu zur Auswahl
AntwortenLöschenDie Starke Schule beider Basel veröffentlichte kürzlich die provisorische Lehrmittelliste der Fremdsprachen-Arbeitsgruppen:
Französisch:
Primar: Mille feuilles (3.-6. Klasse); Dis donc; Ça bouge (beide nur 5./6.).Sek 1: Clin d’oeil; Dis donc; Tous ensemble; A toi.
Englisch:
Primar: New World; More.Sek 1: New World; English Plus; Solutions; Think; English in Mind; Beyond.
Am 18. Dezember legte der Baselbieter Bildungsrat die definitiven Listen für alle Fächer fest. Kommunizieren möchte er erst in der zweiten Januarhälfte. Laut Informationen der bz gibt es aber eine Ergänzung zur Empfehlung der Arbeitsgruppen: «English Plus» steht auch in der Primar neben «More» als Alternative zum Passepartoutlehrmittel «New World» zur Auswahl.