7. Dezember 2019

Umstrittene Bündner Asylschulen bleiben


Es kann vorkommen, dass Flüchtlingskinder vier Jahre lang die interne Schule in einem Bündner Asylzentrum besuchen. Das «Regionaljournal Graubünden» von Radio SRF hatte vor den Sommerferien Zahlen des Migrationsamts ausgewertet. Diese Zahlen zeigten: Über die Hälfte der Kinder und Jugendliche besuchten damals in Asylzentren die Heimschulen länger als zwei Jahre.
Der Grosse Rat will an den umstrittenen Asylschulen nichts ändern, SRF, 5.12. von Stefanie Hablützel


Bildungsexperten kritisieren am Bündner System, dass Kinder zu lange separiert werden, so schlechter Deutsch lernen und nicht die gleichen Chancen haben – was ein Verstoss gegen die Bundesverfassung wäre.
Deshalb müsse ein Wechsel an die Volksschule spätestens nach eineinhalb Jahren erfolgen. Dies forderte im August SP-Politikerin Sandra Locher, die nun seit kurzem Nationalrätin ist. Fast die Hälfte des Parlaments unterzeichnete damals ihren Vorstoss.

«Mini-Lösung» ohne fixen Zeitpunkt

Am Mittwoch wurde dieser Vorstoss vom Grossen Rat behandelt. Von Beginn weg zeichnete sich ab, dass diese Forderung nur in abgeschwächter Form, wie von der Regierung vorgeschlagen, Link öffnet in einem neuen Fenster, eine Chance hat. Zweitunterzeichner Beno Niggli (BDP) sprach von einer «Mini-Lösung» der Regierung. Er empfahl jedoch «aus politischem Realismus», der regierungsrätlichen Variante zuzustimmen.

Es ist heute nicht mehr ganz klar, welche Kriterien gelten. Dass wir diese präzisieren, dürfte im Interesse aller sein, insbesondere auch der Kinder.
Autor:Peter PeyerRegierungsrat (SP)


Die Regierung hatte vorgeschlagen, die Art und Weise des Übertritts von der Heimschule an die Dorf- oder Stadtschule zu präzisieren und transparenter zu gestalten, jedoch ohne fixen Zeitpunkt. Gleichzeitig unterstützte sie eine zweite Forderung, nämlich gleiche Löhne für Lehrer und Lehrerinnen an der Heimschule wie an der Volksschule.

Warnung vor «Schein-Integration»

Während der Debatte warb Regierungsrat Peyer für den Vorschlag der Regierung. Es habe sich gezeigt, dass bei den Übertrittskriterien eine Überarbeitung notwendig sei: «Es ist heute nicht mehr ganz klar, welche Kriterien gelten. Dass wir diese präzisieren, dürfte im Interesse aller sein, insbesondere auch der Kinder».

Für das heutige System stand Tarzisius Caviezel ein, FDP-Grossrat und Davoser Landammann. In seiner Gemeinde steht eines der kantonalen Asylzentren für Familien. Davos habe viel Erfahrung mit der Einschulung von Flüchtlingen, die Heimschulen seien eine gute Vorbereitung, sowohl schulisch wie auch kulturell. Es sei deshalb falsch, warnte Caviezel, die Kinder bereits nach einem Jahr an die Volksschule wechseln zu lassen, dann könne es zu einer «Schein-Integration mit möglicherweise fatalen Spätfolgen» kommen.

Die Volksschule hat einen Bildungsauftrag für unsere Kinder.
Autor:Tarzisius CaviezelGrossrat (FDP) und Landamann Davos

In der Debatte wurde deutlich, dass FDP-Politiker Caviezel zwischen einheimischen Kindern und denjenigen aus dem Asylzentrum unterscheidet: «Die Volksschule hat einen Bildungsauftrag für unsere Kinder». Davos, so Caviezel weiter, sei bereit, «weitere Kinder aufzunehmen, sie möglichst gut zu integrieren, sodass sie ihr Potential in einem späteren Zeitpunkt auch vollumfänglich einbringen können».

In Davos spielt Asylstatus eine Rolle

Die ursprüngliche Abmachung sei, dass Davos nur Kinder einschulen müsse, die einen positiven Asylbescheid haben und damit in der Schweiz bleiben dürfen, erklärte Caviezel dem Grossen Rat. Hier biete Davos jedoch Hand und nehme auch Kinder auf, die im Verfahren sind – dies «freiwillig», wie Valérie Favre Accola (SVP), auch sie Teil der Davoser Exekutive, unterstrich.

Diese Aussagen der Davoser Politiker stehen im Widerspruch zu Aussagen des Amts für Migration und der Regierung. Der Kanton hatte in der Vergangenheit mehrmals versichert, dass der Asylstatus beim Übertritt an die Volksschule keine Rolle spielt.

Evaluation trotzdem noch ein Thema

Am Schluss lehnten die 84 noch anwesenden Grossräte den abgespeckten Vorschlag der Regierung mit 48 zu 34 Stimmen bei zwei Enthaltungen ab.

Die Debatte habe gezeigt, dass die Meinungen weit auseinandergingen und sich das heutige System bewährt habe, kommentierte SP-Regierungsrat Peter Peyer nach der Debatte. «Es gibt aber einige Fragen juristischer und pädagogischer Art. Die Regierung wird jetzt klären müssen, ob wir trotzdem eine Evaluation machen».

Juristische Fragen gibt es aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids. So hat das Gericht im Mai festgehalten, dass Asylbewerber grundsätzlich in der Regelschule zu integrieren sind, und zwar so rasch wie möglich.


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