Es
kann vorkommen, dass Flüchtlingskinder vier Jahre lang die interne Schule in
einem Bündner Asylzentrum besuchen. Das «Regionaljournal Graubünden» von Radio
SRF hatte vor den Sommerferien Zahlen des Migrationsamts ausgewertet. Diese
Zahlen zeigten: Über die Hälfte der Kinder und Jugendliche besuchten damals in
Asylzentren die Heimschulen länger als zwei Jahre.
Der Grosse Rat will an den umstrittenen Asylschulen nichts ändern, SRF, 5.12. von Stefanie Hablützel
Bildungsexperten kritisieren am
Bündner System, dass Kinder zu lange separiert werden, so schlechter Deutsch
lernen und nicht die gleichen Chancen haben – was ein Verstoss gegen die
Bundesverfassung wäre.
Deshalb müsse ein Wechsel an die Volksschule spätestens nach eineinhalb
Jahren erfolgen. Dies forderte im August SP-Politikerin Sandra Locher, die nun
seit kurzem Nationalrätin ist. Fast die Hälfte des Parlaments unterzeichnete
damals ihren Vorstoss.
«Mini-Lösung» ohne fixen Zeitpunkt
Am Mittwoch wurde dieser Vorstoss vom Grossen Rat behandelt. Von Beginn
weg zeichnete sich ab, dass diese Forderung nur in abgeschwächter Form, wie von der Regierung vorgeschlagen, eine Chance hat. Zweitunterzeichner
Beno Niggli (BDP) sprach von einer «Mini-Lösung» der Regierung. Er empfahl
jedoch «aus politischem Realismus», der regierungsrätlichen Variante zuzustimmen.
Es
ist heute nicht mehr ganz klar, welche Kriterien gelten. Dass wir diese
präzisieren, dürfte im Interesse aller sein, insbesondere auch der Kinder.
Autor:Regierungsrat (SP)
Die Regierung hatte vorgeschlagen, die Art und Weise des Übertritts von
der Heimschule an die Dorf- oder Stadtschule zu präzisieren und transparenter
zu gestalten, jedoch ohne fixen Zeitpunkt. Gleichzeitig unterstützte sie eine
zweite Forderung, nämlich gleiche Löhne für Lehrer und Lehrerinnen an der
Heimschule wie an der Volksschule.
Warnung vor «Schein-Integration»
Während der Debatte warb Regierungsrat Peyer für den Vorschlag der
Regierung. Es habe sich gezeigt, dass bei den Übertrittskriterien eine Überarbeitung
notwendig sei: «Es ist heute nicht mehr ganz klar, welche Kriterien gelten.
Dass wir diese präzisieren, dürfte im Interesse aller sein, insbesondere auch
der Kinder».
Für das heutige System stand Tarzisius Caviezel ein, FDP-Grossrat und
Davoser Landammann. In seiner Gemeinde steht eines der kantonalen Asylzentren
für Familien. Davos habe viel Erfahrung mit der Einschulung von Flüchtlingen,
die Heimschulen seien eine gute Vorbereitung, sowohl schulisch wie auch
kulturell. Es sei deshalb falsch, warnte Caviezel, die Kinder bereits nach
einem Jahr an die Volksschule wechseln zu lassen, dann könne es zu einer
«Schein-Integration mit möglicherweise fatalen Spätfolgen» kommen.
Die
Volksschule hat einen Bildungsauftrag für unsere Kinder.
In der Debatte wurde deutlich, dass FDP-Politiker Caviezel zwischen
einheimischen Kindern und denjenigen aus dem Asylzentrum unterscheidet: «Die
Volksschule hat einen Bildungsauftrag für unsere Kinder». Davos, so Caviezel
weiter, sei bereit, «weitere Kinder aufzunehmen, sie möglichst gut zu
integrieren, sodass sie ihr Potential in einem späteren Zeitpunkt auch
vollumfänglich einbringen können».
In Davos spielt Asylstatus eine Rolle
Die ursprüngliche Abmachung sei, dass Davos nur Kinder einschulen müsse,
die einen positiven Asylbescheid haben und damit in der Schweiz bleiben dürfen,
erklärte Caviezel dem Grossen Rat. Hier biete Davos jedoch Hand und nehme auch
Kinder auf, die im Verfahren sind – dies «freiwillig», wie Valérie Favre Accola
(SVP), auch sie Teil der Davoser Exekutive, unterstrich.
Diese Aussagen der Davoser Politiker stehen im Widerspruch zu Aussagen
des Amts für Migration und der Regierung. Der Kanton hatte in der Vergangenheit
mehrmals versichert, dass der Asylstatus beim Übertritt an die Volksschule
keine Rolle spielt.
Evaluation trotzdem noch ein Thema
Am Schluss lehnten die 84 noch anwesenden Grossräte den abgespeckten
Vorschlag der Regierung mit 48 zu 34 Stimmen bei zwei Enthaltungen ab.
Die Debatte habe gezeigt, dass die Meinungen weit auseinandergingen und
sich das heutige System bewährt habe, kommentierte SP-Regierungsrat Peter Peyer
nach der Debatte. «Es gibt aber einige Fragen juristischer und pädagogischer
Art. Die Regierung wird jetzt klären müssen, ob wir trotzdem eine Evaluation
machen».
Juristische Fragen gibt es aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids. So
hat das Gericht im Mai festgehalten, dass Asylbewerber grundsätzlich in der
Regelschule zu integrieren sind, und zwar so rasch wie möglich.
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