Hört man den Begriff Schülervergleich, denken wahrscheinlich viele noch
an herkömmliche Tests, bei denen Fragebogen mit Bleistift ausgefüllt oder lange
Texte abgeliefert werden müssen. Beim «Programme for International Student
Assessment», besser bekannt unter dem Kürzel Pisa, ist das nicht mehr der Fall.
Seit 2015 findet die gesamte Befragung online statt. So mussten die 15-jährigen
Schülerinnen und Schüler im Fachbereich Lesen beispielsweise einen Online-Chat
auf dessen Inhalt analysieren. Unter anderem galt es die Frage zu beantworten,
welche Beiträge für den User nützlich sind oder bei welchen Posts es sich um
Werbung handelt. Es waren also Kompetenzen gefragt, die im Alltagsleben der
Jugendlichen eine entscheidende Rolle spielen.
Pisa: Medienkompetenz der Schüler muss gefördert werden, NZZ, 3.12. von Erich Aschwanden
Gemäss den am Dienstag veröffentlichten Ergebnissen schneiden Schweizer
Jugendliche im Umgang mit solchen digitalen Textquellen nur im Mittelfeld ab.
Nachdenklich stimmt, dass die Anzahl jener Schülerinnen und Schüler zunimmt,
die beim Lesen nicht kompetent genug sind, um Herausforderungen im Alltag oder
Berufsleben bewältigen zu können. Ausserdem konnte im OECD-Durchschnitt bei der
Analyse von Textquellen weniger als einer von zehn Jugendlichen zwischen Fakt
und Meinung unterscheiden. Bei den Jugendlichen aus der Schweiz sieht es leider
nicht besser aus, was der Lehrerinnen- und Lehrerverband zu Recht als
bedenklich bezeichnet.
Herausforderung für Lehrer
Lesekompetenz wird immer mehr zur Medienkompetenz, werden doch die in
der Ausbildung vermittelten Fähigkeiten immer weniger über Bücher und
immer mehr durch Tablets und Smartphones gelehrt. Neben dem Elternhaus, wo der
Umgang mit den modernen Medien ein Dauerthema ist, kommt den Schulen in
diesem Bereich eine zentrale Rolle zu. Medienbildung ist heutzutage eine
Kulturtechnik, die im Schulzimmer gelehrt werden muss, ebenso wie dies bei
Lesen, Schreiben und Rechnen seit langem der Fall ist.
Für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen ist das eine grosse
Herausforderung. Sie müssen sich aktiv damit auseinandersetzen, wie digitale Medien
nutzbringend im Unterricht eingesetzt werden können. Sie müssen den
Jugendlichen aufzeigen, welche Chancen und Risiken bestehen und wie Krisen, wie
etwa Cybermobbing gegen Schüler, bewältigt werden können. Erschwert wird diese
Aufgabe durch die Tatsache, dass diese Kompetenzen häufig von Personen
vermittelt werden, die noch im analogen Zeitalter sozialisiert wurden. Sie
sollen Kindern Kompetenzen vermitteln, die teilweise schon mit 10 Jahren ihr
erstes Smartphone erhalten haben. In diesem Bereich ist von den Lehrpersonen
selbst viel Lernbereitschaft erforderlich.
Im Vergleich zu früher stehen den Jugendlichen während des Unterrichts
und in der Freizeit viel mehr Informationen zur Verfügung. Gleichzeitig fehlt
ihnen die Kompetenz, diese Flut an Informationen einzuordnen. Einen
Hoffnungsschimmer gibt es in der diesjährigen Pisa-Studie immerhin: Sowohl
in der Schweiz wie auch in allen Vergleichsländern schneiden die Schüler bei
Leseaufgaben, die Textkomplexe enthalten, besser ab als bei solchen, die
auf Einzeltexten basieren. Das ist insofern eine positive Botschaft, als die
Jugendlichen offenbar Fähigkeiten entwickeln, die über das reine Lesen und
Verstehen hinausgehen, gerade wenn es darum geht, die Glaubwürdigkeit von
Texten zu beurteilen oder widersprüchliche Informationen aus mehreren Quellen
zu beurteilen. Allerdings verläuft dieser Prozess in Richtung vernetztes Denken
nur langsam. Es gilt daher, die entsprechenden Techniken im Unterricht vermehrt
gezielt zu fördern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen