3. Oktober 2019

Verheerende Evaluation nicht publiziert


Mille feuille ist ein französischer Kuchen aus geschichtetem Blätterteig mit Füllungen aus Konfitüre, Rahm oder Creme – eine Köstlichkeit.Weniger köstlich ist das gleichnamige Lehrmittel für Schüler in verschiedenen Kantonen, darunter die beiden Basel. Viele Schüler, Lehrer und Eltern sind seit Jahren unglücklich mit «Millefeuilles». Die Bildungsverwaltungen hielten jedoch die Kritiker der Lehrmittel mit dem Versprechen hin, die Erfolgsquote erst auswerten zu wollen. 
Schlechte Ergebnisse scheuen das Licht, Basler Zeitung, 3.10. von Franzska Laur
 

Seit Mai sind die Ergebnisse der Studie da,welche die betroffenen Kantone beim Institut für Mehrsprachigkeit (IfM) der Uni Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg in Auftrag gegeben haben. Doch siehe da: Publik gemacht wurden sie nicht. Erst die«Berner Zeitung» berichtete  Ende September unter dem Titel «Die geheime Frühfranzösisch-Studie», dass die Resultate nicht sehr günstig ausgefallen sind. Im neuen Bildungsblog namens Condorcet schreibt der ehemalige Basler Lehrer Felix Schmutz unter demTitel «Das nahende Ende des Frühsprachen-Konzepts», die Passepartout-Steuergruppe habe darauf endgültig beschlossen, die Evaluation der Sekundarstufe, deren Ergebnisse für 2021 angekündigt waren, gar nicht mehr durchführen zu lassen. 

Fehlende Sprechkompetenz 
Nur 33 Prozent schafften das Leseverstehen und 57 Prozent das Hörverstehen. Richtig niederschmetternd waren die nur vom IfM geprüften Sprechkompetenzen: 42,5 Prozent schafften das tiefere Leistungsniveau A1.2, nur 11 Prozent aber das von Passepartout anvisierte Niveau A2.1.«Eine Didaktik, die sich dezidiert der Förderung der Kommunikation und den Strategien des Leseverstehens verschrieben hat, ist als gescheitert anzusehen, wenn sie nach vier Jahren Unterricht mit einem derart bescheidenen Resultat aufwarten muss», nimmt Felix Schmutz zu diesen Ergebnissen Stellung. Auf Anfrage sagt das Basler Bildungsdepartement gemäss Mediensprecher Simon Thiriet:«Es gilt bezüglich Wortschatz die Gesamtkonzeption zu überdenken und aktuelle Erkenntnisse zum Alltagswortschatz zu analysieren.» Da hätten die Passepartout-Kantone allerdings auch schon vor dem Vorliegen der Evaluationsergebnisse reagiert: «Vom Schulverlag Plus gibt es die Lehrmittelergänzung ‹On bavarde›.Wir haben diese Box im Verlaufe des letzten Schuljahres allen Primarschulstandorten und den Sekundarschulen zur Verfügung gestellt», sagt Thiriet. 

Felix Schmutz ist jedoch überzeugt:«Der Glaube an die Wirksamkeit ist ins Wanken geraten.» Bei den Bildungsdepartementen gehe es allerdings darum, das Gesicht zu wahren. Auch wegen des vielen Geldes, das man in das Projekt gesteckt hat. Für die sechs an Passepartout teilnehmendenKantoneanderfranzösischen Sprachgrenze (BE, BL, BS, SO, FR,VS) sind das immerhin hundert Millionen Franken. Auch für die Eltern sei es in diesem Setting nahezu unmöglich, ihre Kinder zu unterstützen. Immerhin haben sich, nach mehrjährigem Zögern, die Verantwortlichen dazu bereit erklärt,grössere Nachbesserungen vorzunehmen. Dazu gehört eine sogenannte Mini-grammaire, wobei diese auch über das Ziel hinausschiesse, wie Philipp Loretz, Fremdsprachenlehrer und Mitglied der Geschäftsleitung des Lehrerverbandes Baselland, festhält. Anhand unzähliger Sprachvergleiche sollen die Lernenden herausfinden, wie «bestimmte sprachliche Erscheinungen in anderen Sprachen» funktionieren. 

Wie alles anfing  
Die sechs teilnehmenden Kantone schlossen sich 2004 zum Projekt Passepartout zusammen,um den Fremdsprachenunterricht an der Volksschule von Grund auf zu erneuern. Sie unterzeichneten einen Staatsvertrag, der bis Ende Juli 2018 für alle beteiligten Kantone verbindlich war. Gemeinsam vereinheitlichten sie die Stundentafel, entwickelten neue Lehrmittel sowie einen neuen Lehrplan und die Aus-und Weiterbildung der Lehrpersonen. Im August 2011 begannen die Kantone damit zu arbeiten – und ernten seither viel Kritik von den Protagonisten. 

Basel-Stadt hält zwar nach wie vor am Passepartout-Konzeptfest, zeigt jedoch Anzeichen eines Einlenkens. «Wir haben eine Gruppe, bestehend aus Lehrpersonen der Sekundarschule und des Gymnasiums, eingesetzt, die daran ist, Massnahmen beim Übergang der P-Klassen ins Gymnasium vorzuschlagen», sagt Thiriet. 

Für Philipp Loretz würde es schon reichen, wenn Redundanzen vermieden und Vergleiche mit vollkommen unbekannten exotischen Sprachen ersatzlos gestrichen würden. Dann werde genügend Raum frei für das Wesentliche und für altersgerechte, dem kognitiven Entwicklungsstand angepasste Erklärungen, meint er. 

Änderungen versprochen 
Immerhin verspricht die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion aufgrund der schlechten Ergebnisse Vorschläge für Massnahmen. Ein entsprechender Zwischenbericht soll bis Ende 2019 vorliegen. Und im Kanton Basel-Stadt ist man momentan dran, die Ergebnisse zu sichten und analysieren. Gespräche mit der Kantonalen Schulkonferenz, den Schulleitungen und mit den Wirtschaftsverbänden hätten bereits stattgefunden oder seien noch geplant, sagt SimonThiriet.

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