Im
Kanton Aargau dauert die Schulzeit bis zur gymnasialen Matur ohne Kindergarten
dreizehn Jahre. In den meisten anderen Kantonen kann die gymnasiale Matur auch
in zwölf Jahren erreicht werden. Zurzeit prüft die Regierung, welche
Möglichkeiten es gibt, damit leistungsstarke Schülerinnen und Schüler im Kanton
Aargau die gymnasiale Matur ebenfalls nach zwölf Jahren erlangen können.
Wird die Schulzeit im Aargau um ein Jahr verkürzt? Das könnte das Ende der Bezirksschule bedeuten, Zofinger Tagblatt, 3.10. von Jörg Meier
Dabei
handelt es sich um eine Sparmassnahme im Zusammenhang mit der Sanierung der
Kantonsfinanzen. Anfänglich ging man davon aus, dass der Kanton durch die
Verkürzung langfristig pro Jahr zwischen zwei und vier Millionen Franken
einsparen könnte. Pädagogische Überlegungen spielten bei der ersten
Auslegeordnung keine Rolle.
Verkürzung verändert Aargauer Schulsystem
Was
in der Theorie einleuchtend tönt, erweist sich in der Umsetzung aber als
komplex und möglicherweise folgenreich für die ganze Aargauer Schule. Ein
erstes Umsetzungskonzept des Bildungsdepartements (BKS) schlägt drei Varianten
vor, die weiterverfolgt werden sollen:
Leistungsstarke
Schülerinnen und Schüler sollen bereits nach der 2. Klasse der Bezirksschule
ins Gymnasium der Kantonsschule eintreten können. Wer eine Berufslehre
absolvieren oder an einen anderen Mittelschultypus wechseln möchte (Fach-,
Handels- und Informatikmittelschule), tut dies weiterhin nach der 3. Klasse der
Bezirksschule.
Die
zweite Variante ist die Einführung eines Langzeitgymnasiums mit Eintritt nach
Abschluss der 6. Primarschulklasse. Das Langzeitgymnasium dauert sechs Jahre,
davon zwei Jahre am Untergymnasium, das an den Kantonsschulen geführt werden
würde.
Geprüft
wird zudem, ob für besonders begabte Schüler schon nach der 5. Klasse ein
Übertritt an die Bezirksschule durch Überspringen eines ganzen Schuljahres
möglich wäre.
Egal,
welche Variante allenfalls umgesetzt wird: «Die Verkürzung der Schuldauer und
eine damit einhergehende Oberstufenreform verändern das Aargauer Schulsystem
tiefgreifend», heisst es im Zwischenbericht der Regierung über die Sanierung
der Kantonsfinanzen vom August 2019. Denn die eidgenössische
Maturitätsverordnung schreibt vor, dass das Gymnasium zwingend mindestens vier
Jahre dauern muss. Also kann die Verkürzung der Schuldauer nur auf Stufe
Volksschule passieren.
Bezirksschule käme unter die Räder
So
hätten sowohl die Einführung des Langzeitgymnasiums als auch der Übertritt ins
Gymnasium nach der 2. Klasse der der Oberstufe gravierende Folgen für die
Bezirksschule. «Falls es so weit kommt, ist der Weiterbestand der Bezirksschule
ernsthaft infrage gestellt», sagt Daniela Germer, Präsidentin des Vereins
Aargauer Bezirkslehrerinnen und Bezirkslehrer.
Der
Übetritt nach der 2. Klasse von der Bez in die Kanti würde zu einer Halbierung
der Schülerzahlen in der 3. Bez. führen, das wiederum hätte
Klassenzusammenlegungen zur Folge. «Einige Bezirksschulen könnten so die
Mindestgrösse nicht mehr erreichen, was in der Regel mittelfristig eine
Schliessung zur Folge hat», sagte Germer.
Zudem
sei eine zuverlässige Pensenplanung der Lehrpersonen nicht mehr möglich. Noch
gravierender für die Bez wäre das Langzeitgymnasium mit Beginn nach der 6.
Klasse der Primarschule. Dadurch hätte die Bez rund die Hälfte weniger
Schülerinnen und Schüler als heute. Schliesslich befürchtet Germer, dass das
schulische Niveau der Bezirksschule sinken könnte, wenn nur noch Schülerinnen
und Schüler die Schule besuchen, die nicht an die Kanti wollen.
Verkürzung ist auch mittelfristig teurer
Doch
vorderhand muss man sich an der Bez noch keine grossen Sorgen machen.
Wahrscheinlich lässt der grosse Umbau der Volksschule noch einiger Jahre auf
sich warten. Denn die Verkürzung der Schuldauer führt nicht wie erhofft zu
Einsparungen, sondern im Gegenteil: Sie verursacht über mehrere Jahre
Mehrkosten in Millionenhöhe. So steigen die Lohnkosten für den Kanton, da sich
die Gemeinde nicht an den Löhnen für Mittelschullehrpersonen beteiligen.
Zudem
steigt der Raumbedarf an den Gymnasien, da gewisse Jahrgänge in der
Übergangsphase doppelt geführt werden müssten; falls das Langzeitgymnasium zum
Zuge käme, würde der grössere Raumbedarf bestehen bleiben. Finanziell lohnt
sich die Verkürzung der Schulzeit für den Kanton zumindest in den nächsten
Jahren also nicht; und pädagogische Aspekte spielen noch immer keine Rolle.
Daniel
Franz, Rektor der Kanti Wettingen und Präsident der Rektorenkonferenz der
Aargauer Mittelschulen, sagte, bei den Kantonsschulen stehe das Thema nicht
zuoberst auf der Traktandenliste. Man warte auf konkrete Vorschläge aus dem
Bildungsdepartement.
Als
einfachste und kostengünstige Lösung schlägt Franz vor, dass begabte
Schülerinnen und Schüler nach der 5. Klasse direkt in die Bezirksschule
wechseln können und so ihre Schulzeit unkompliziert um ein Jahr verkürzen
könnten.
Anhörung wohl erst in drei Jahren
Doch
bis konkrete Umsetzungsvorschläge der Regierung vorliegen, kann es noch eine
Weile dauern. Dabei hatte doch der Regierungsrat in der Beantwortung einer
Motion von Grossrätin Sabina Freiermuth (FDP) zugesichert, dass der
Planungsbericht über die Entwicklung der Aargauer Mittelschulen bis ins Jahr
2040 die Konsequenzen der Verkürzung der Schulzeit auf Schulraum und Finanzen
aufzeigen werde. Doch der 53-seitige Bericht schweigt sich ausgerechnet zu
diesem Thema aus.
Auf
Nachfrage gibt man sich beim Bildungsdepartement wortkarg und verweist auf den
Planungsbericht im Jahr 2020 oder 2021 und auf die Anhörung zu den gesetzlichen
Grundlagen im Jahr 2022. Die Auskunft lässt vermuten, dass die vermeintliche
Sparmassnahme «Verkürzung der Schuldauer bis zur gymnasialen Matur» auch beim
Bildungsdepartement nicht zuoberst auf der Prioritätenliste steht. Erst recht,
seit absehbar ist, welche Folgen die Verkürzung für die Volksschule hätte.
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