3. Oktober 2019

Kommt die Aargauer Bez unter die Räder?


Im Kanton Aargau dauert die Schulzeit bis zur gymnasialen Matur ohne Kindergarten dreizehn Jahre. In den meisten anderen Kantonen kann die gymnasiale Matur auch in zwölf Jahren erreicht werden. Zurzeit prüft die Regierung, welche Möglichkeiten es gibt, damit leistungsstarke Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau die gymnasiale Matur ebenfalls nach zwölf Jahren erlangen können.
Wird die Schulzeit im Aargau um ein Jahr verkürzt? Das könnte das Ende der Bezirksschule bedeuten, Zofinger Tagblatt, 3.10. von Jörg Meier
 

Dabei handelt es sich um eine Sparmassnahme im Zusammenhang mit der Sanierung der Kantonsfinanzen. Anfänglich ging man davon aus, dass der Kanton durch die Verkürzung langfristig pro Jahr zwischen zwei und vier Millionen Franken einsparen könnte. Pädagogische Überlegungen spielten bei der ersten Auslegeordnung keine Rolle.

Verkürzung verändert Aargauer Schulsystem
Was in der Theorie einleuchtend tönt, erweist sich in der Umsetzung aber als komplex und möglicherweise folgenreich für die ganze Aargauer Schule. Ein erstes Umsetzungskonzept des Bildungsdepartements (BKS) schlägt drei Varianten vor, die weiterverfolgt werden sollen:

Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sollen bereits nach der 2. Klasse der Bezirksschule ins Gymnasium der Kantonsschule eintreten können. Wer eine Berufslehre absolvieren oder an einen anderen Mittelschultypus wechseln möchte (Fach-, Handels- und Informatikmittelschule), tut dies weiterhin nach der 3. Klasse der Bezirksschule.
Die zweite Variante ist die Einführung eines Langzeitgymnasiums mit Eintritt nach Abschluss der 6. Primarschulklasse. Das Langzeitgymnasium dauert sechs Jahre, davon zwei Jahre am Untergymnasium, das an den Kantonsschulen geführt werden würde.
Geprüft wird zudem, ob für besonders begabte Schüler schon nach der 5. Klasse ein Übertritt an die Bezirksschule durch Überspringen eines ganzen Schuljahres möglich wäre.
Egal, welche Variante allenfalls umgesetzt wird: «Die Verkürzung der Schuldauer und eine damit einhergehende Oberstufenreform verändern das Aargauer Schulsystem tiefgreifend», heisst es im Zwischenbericht der Regierung über die Sanierung der Kantonsfinanzen vom August 2019. Denn die eidgenössische Maturitätsverordnung schreibt vor, dass das Gymnasium zwingend mindestens vier Jahre dauern muss. Also kann die Verkürzung der Schuldauer nur auf Stufe Volksschule passieren.

Bezirksschule käme unter die Räder
So hätten sowohl die Einführung des Langzeitgymnasiums als auch der Übertritt ins Gymnasium nach der 2. Klasse der der Oberstufe gravierende Folgen für die Bezirksschule. «Falls es so weit kommt, ist der Weiterbestand der Bezirksschule ernsthaft infrage gestellt», sagt Daniela Germer, Präsidentin des Vereins Aargauer Bezirkslehrerinnen und Bezirkslehrer.

Der Übetritt nach der 2. Klasse von der Bez in die Kanti würde zu einer Halbierung der Schülerzahlen in der 3. Bez. führen, das wiederum hätte Klassenzusammenlegungen zur Folge. «Einige Bezirksschulen könnten so die Mindestgrösse nicht mehr erreichen, was in der Regel mittelfristig eine Schliessung zur Folge hat», sagte Germer.

Zudem sei eine zuverlässige Pensenplanung der Lehrpersonen nicht mehr möglich. Noch gravierender für die Bez wäre das Langzeitgymnasium mit Beginn nach der 6. Klasse der Primarschule. Dadurch hätte die Bez rund die Hälfte weniger Schülerinnen und Schüler als heute. Schliesslich befürchtet Germer, dass das schulische Niveau der Bezirksschule sinken könnte, wenn nur noch Schülerinnen und Schüler die Schule besuchen, die nicht an die Kanti wollen.

Verkürzung ist auch mittelfristig teurer
Doch vorderhand muss man sich an der Bez noch keine grossen Sorgen machen. Wahrscheinlich lässt der grosse Umbau der Volksschule noch einiger Jahre auf sich warten. Denn die Verkürzung der Schuldauer führt nicht wie erhofft zu Einsparungen, sondern im Gegenteil: Sie verursacht über mehrere Jahre Mehrkosten in Millionenhöhe. So steigen die Lohnkosten für den Kanton, da sich die Gemeinde nicht an den Löhnen für Mittelschullehrpersonen beteiligen.

Zudem steigt der Raumbedarf an den Gymnasien, da gewisse Jahrgänge in der Übergangsphase doppelt geführt werden müssten; falls das Langzeitgymnasium zum Zuge käme, würde der grössere Raumbedarf bestehen bleiben. Finanziell lohnt sich die Verkürzung der Schulzeit für den Kanton zumindest in den nächsten Jahren also nicht; und pädagogische Aspekte spielen noch immer keine Rolle.

Daniel Franz, Rektor der Kanti Wettingen und Präsident der Rektorenkonferenz der Aargauer Mittelschulen, sagte, bei den Kantonsschulen stehe das Thema nicht zuoberst auf der Traktandenliste. Man warte auf konkrete Vorschläge aus dem Bildungsdepartement.
Als einfachste und kostengünstige Lösung schlägt Franz vor, dass begabte Schülerinnen und Schüler nach der 5. Klasse direkt in die Bezirksschule wechseln können und so ihre Schulzeit unkompliziert um ein Jahr verkürzen könnten.

Anhörung wohl erst in drei Jahren
Doch bis konkrete Umsetzungsvorschläge der Regierung vorliegen, kann es noch eine Weile dauern. Dabei hatte doch der Regierungsrat in der Beantwortung einer Motion von Grossrätin Sabina Freiermuth (FDP) zugesichert, dass der Planungsbericht über die Entwicklung der Aargauer Mittelschulen bis ins Jahr 2040 die Konsequenzen der Verkürzung der Schulzeit auf Schulraum und Finanzen aufzeigen werde. Doch der 53-seitige Bericht schweigt sich ausgerechnet zu diesem Thema aus.

Auf Nachfrage gibt man sich beim Bildungsdepartement wortkarg und verweist auf den Planungsbericht im Jahr 2020 oder 2021 und auf die Anhörung zu den gesetzlichen Grundlagen im Jahr 2022. Die Auskunft lässt vermuten, dass die vermeintliche Sparmassnahme «Verkürzung der Schuldauer bis zur gymnasialen Matur» auch beim Bildungsdepartement nicht zuoberst auf der Prioritätenliste steht. Erst recht, seit absehbar ist, welche Folgen die Verkürzung für die Volksschule hätte.

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