Immer
mehr verhaltensauffällige Schüler belasten Lehrerschaft und Schule. Jetzt sieht
Lehrerpräsident Beat Zemp das System der integrativen Schule in Gefahr und
fordert Korrekturen: mehr Geld, mehr schulische Heilpädagogen, mehr
Sozialarbeiter und mehr Klassenlehrerstunden. Im Einzelfall sollen gar Sonder-
und Kleinklassen wieder eingeführt werden.
Die
integrierte Schule wurde in der Deutschschweiz vor bald zehn Jahren eingeführt.
Kinder mit einer Behinderung, mit Lernschwächen oder Kinder, die kein oder
wenig Deutsch sprechen, die früher in Kleinklassen oder in Sonderschulen
unterrichtet wurden, gehen heute gemeinsam mit allen anderen zur Schule. Jetzt
zeigt sich einmal mehr, dass das System für die Lehrerschaft zunehmend zum
Problem wird. Gemäss der Arbeitszeiterhebung, die der Schweizer Lehrerverband
(LCH) letzte Woche veröffentlicht hat, ist die Belastung der Lehrer zu hoch, um
dem Berufsauftrag genügend nachzukommen. Einer der Hauptgründe dafür sind
gemäss der Umfrage das System der integrativen Schule und die damit verbundenen
besonderen Umstände: 55 Prozent der Lehrer empfinden heute die integrative
Schule als besondere Quelle der Belastung. Die Studie zeigt weiter, «dass die
Lehrpersonen der integrativen Schulung im Grundsatz positiv gegenüberstehen,
dabei aber an ihre Grenzen stossen».
Der
Umgang mit Problemschülern scheint dabei zum Hauptproblem zu werden. In der
integrativen Schule würden «besonders herausfordernde Schüler die Lehrpersonen
an die Grenzen ihrer Kräfte bringen», steht in der Studie: 90 Prozent der
Lehrerschaft sehen Verhaltensauffälligkeiten von Schülern als ein Hauptproblem
ihres Berufsalltages.
Zemp
will bestehendes Modell überdenken
Für
Lehrerpräsident Zemp ist das System in Gefahr. «Die zusätzliche Belastung durch
die integrative Schule bringt die Lehrpersonen und das Regelschulsystem an die
Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.» Denn: «Die zunehmende Heterogenität in den
Regelklassen durch verhaltensauffällige Schüler und solche mit besonderen
Lernbedürfnissen ist in vielen Fällen kaum mehr zu bewältigen.»
Deshalb
verlangt Zemp jetzt von den Kantonen, dass sie das Modell überdenken und die
Schulen finanziell und personell besser alimentieren: «Grundsätzlich braucht es
mehr personelle Ressourcen. Wir brauchen mehr schulische Heilpädagogen, mehr
Sozialarbeiter und mehr Entlastung für Klassenlehrpersonen, damit genügend Zeit
für die integrative Schulung zur Verfügung steht.»
Eine
generelle Rückkehr zum alten System mit Regel- und Sonderklassen steht dagegen
für den Lehrerverband nicht zur Diskussion, eine teilweise aber schon: «Man
kann das Rad nicht einfach zurückdrehen und diese Schüler wieder alle in
Sonderklassen separieren. In besonderen Situationen muss das aber für einzelne
Fälle nach einer sorgfältigen Abklärung möglich sein», sagt Zemp.
Jean-Michel
Héritier, Präsident der Schulsynode Basel-Stadt, hat die Situation der
auffälligen Schüler in den Regelklassen bereits im April kritisiert. Auch er
fände es falsch, nun wieder Sonderklassen für verhaltensauffällige Schüler zu
schaffen. Das vor acht Jahren eingeführte integrative Modell bewähre sich
grundsätzlich. Wichtig sei aber, dass die Schulen Massnahmen im Umgang mit
verhaltensauffälligen Schülern ergreifen. So könne man Schüler, die den
Unterricht stören, in ein Time-out schicken. Wichtig sei, dass ein solches
Vorgehen institutionalisiert werde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen