Er tut es jedes Jahr. Er tut es, weil die
Umstände es erfordern. Immer am Schmutzigen Donnerstag steigt er nach dem
Mittagessen in den Keller und holt das mottendicht verpackte Kostüm aus dem
Fasnachtsschrank. Er zieht es an, schaut in den Spiegel und betrachtet das
Ganzkörperzebra. Seine Frau schweigt, weil sie aus jahrelanger Erfahrung weiss,
dass jetzt jedes Wort falsch wäre. Er stöhnt und tut trotzdem, was er jedes
Jahr am Schmutzigen Donnerstag tut: Er schleicht aus dem Haus, hofft, dass ihn
die Nachbarn nicht sehen, fährt dann als Zebra zum Schulhaus, wo er schon von
der Guggenmusik und vielen verkleideten Kindern erwartet wird.
Das aufrechte Ganzkörperzebra, Aargauer Zeitung, 27.2. von Jörg Meier
Er ist Lehrer. Von ihm wie auch von vielen andern Lehrpersonen wird erwartet,
dass sie die Schulfasnacht organisieren, die Kinder motivieren, den Umzug
alimentieren, die Turnhalle schmücken. Denn die Fasnacht gehört zum Dorf wie
die Kirche oder die Post. Wobei, die Post wurde ja letztes Jahr geschlossen.
Das ist auch das Thema der Parallelklasse: das Dorf ohne Post. Alle haben sich
als Pöstlerinnen und Pöstler verkleidet. Er macht hingegen mit seiner Klasse
fast immer Karneval der Tiere. Deshalb auch die Verwandlung zum
Ganzkörperzebra.
Gestern hat er im Unterricht den
5.-Klässlern den Fasnachtsbrauch zu erklären versucht. Das ist nötig, denn mehr
als die Hälfte seiner Schülerinnen und Schüler stammen ursprünglich aus
Kulturen, wo es keine Fasnacht gibt.
Jetzt hat er sich mit seiner Klasse an der
Spitze des kleinen Umzugs eingereiht, direkt hinter den Guggen. Am Strassenrand
winken die Eltern und das aufrechte Ganzkörperzebra wird von einer Salve aus
der Konfetti-Kanone getroffen.
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