1. März 2019

Als Notmassnahme noch mehr Studierende und Pensionierte


Wären da keine Studentinnen und Studenten, die bereits während ihrer Ausbildung unterrichten würden, der Lehrermangel im Kanton Bern wäre kaum zu bewältigen. An der gestrigen Medienkonferenz zum Thema wurde klar, dass deren Beitrag weit höher ist, als die paar Noteinsätze zum Schuljahresbeginn. Von den angehenden Oberstufenlehrern sind im Bachelor-Studium 40 Prozent, im Master bereits 90 Prozent als Teilpensenlehrer angestellt. Dies zeigt eine kürzlich gemachte Umfrage der Pädagogischen Hochschule Bern (PH Bern), wie Daniel Steiner ausführte. Dazu kommen die erwähnten Einsätze: Im ersten Semester füllten 30 Studierende die Lücke von 20 Stellen, im zweiten Semester sind es etwas weniger.
Noch mehr Studierende in Berner Schulstuben, Bund, 28.2.


Es bleibt vorläufig «prekär»
Erziehungsdirektorin Christine Häsler (Grüne) geht davon aus, dass auch das nächste Schuljahr zur Herausforderung wird. Die Situation sei «prekär». Dies obwohl an der PH Bern der Zuspruch zur Lehrerausbildung laufend steigt. Doch gleichzeitig springen viele ab, vor allem altershalber, sagte Häsler. Viele Lehrpersonen kämen ins Pensionsalter. Weil gleichzeitig die Zahl der Schüler steigt und der neue Lehrplan 21 eine Erhöhung der Lektionen mit sich bringt, spitzt sich die Situation zu.

Zur Linderung der Notlage hätten viele Lehrpersonen ihre Pensen erhöht, lobt Häsler. Doch es braucht weitere Massnahmen: Neu sollen Lehrer mehr als 100 Prozent arbeiten können, wenn sie dies wollen. Zudem ist die Erziehungsdirektion gegenwärtig daran, einen Pool von pensionierten Lehrkräften für kurzfristige Einsätze zusammenzustellen. Von 950 kürzlich angeschriebenen Personen stellten sich bereits 44 dafür zur Verfügung. Sollte dies nicht ausreichen, könnte in einer akuten Phase laut Häsler auch das fakultative Angebot der Schule reduziert werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre, Klassen zusammenzulegen. Der provokativen Aufforderung des Berufsverbands Bildung Bern, Pflichtlektionen ausfallen zu lassen, wenn kein adäquat ausgebildetes Personal verfügbar sei, erteilte Häsler eine Absage. Es wäre schlimm, wenn Kinder nicht den Genuss des ihnen zustehenden Unterrichts kämen.

Die 1000-Franken-Lücke
Damit Notlagen ausbleiben, startet die PH Bern nun einen Pilotversuch. 20 angehende Unter- und Mittelstufenlehrer sollen den letzten Teil ihrer Ausbildung in zwei Jahren absolvieren können statt in einem Jahr. Dafür werden sie bereits unterrichten. In dieser Zeit werden sie von der PH Bern und von einem Mentor aus der Schule betreut. Daniel Steiner ist überzeugt, dass sich so gleich zwei Bedürfnisse befriedigen lassen. Einerseits erleichtere es den Studierenden den Berufseinstieg, anderseits könne so der Lehrermangel weiter gemildert werden.

Der Leiter des Instituts für Vorschule und Primarstufe liess es sich nicht nehmen, auf die ungenügenden Rahmenbedingungen für die bernischen Lehrpersonen hinzuweisen. Es falle nämlich auf, dass Studierende nicht nur in abgelegenen Regionen sondern «überdurchschnittlich häufig» an der Kantonsgrenze zu Solothurn Lücken füllen müssten. Die Begründung wollte er nicht selber liefern, das tat dann Anna-Katharina Zenger von Bildung Bern auf Anfrage: «Primarlehrerinnen und -lehrer verdienen im Kanton Bern bis zu 1000 Franken weniger als im Nachbarkanton», sagte sie. Man habe nun lange genug Ausreden gehört aus der Politik. Nun müsse sich endlich etwas ändern.

Erziehungsdirektorin Häsler anerkennt grundsätzlich das Problem, wie sie am Rande der Medienkonferenz ausführte, rasche Abhilfe konnte sie aber nicht in Aussicht stellen. Der Kanton sei jedoch seit Jahren daran, die Rahmenbedingungen zu verbessern: Seit 2014 gibt es wieder eine geregelte Lohnentwicklung, bei Kindergärtnerinnen und Schulleitung wurde der Lohn angehoben. Bei Überlastung verschaffen von anderen übernommenen SOS-Lektionen der betroffenen Lehrkraft etwas Luft.

Gescheiterter Versuch
Mittlerweile hat der Berufsverband seine Forderung für konkurrenzfähige Löhne bei der Finanzdirektion deponiert. Mit ungewissen Erfolgsaussichten allerdings: Im vergangenen Jahr lief Häslers Vorgänger Bernhard Pulver in der bürgerlich dominierten Regierung noch auf. Kommuniziert wurde dieser Entscheid nie.

Umgekehrt gibt es auch positive Anzeichen für die Attraktivität des Berufs. Nicht nur die Ausbildung erfreut sich eines hohen Zuspruchs. Laut Daniel Steiner unterrichten auch fünf Jahre nach dem Abschluss noch 80 Prozent der jungen Lehrerinnen und Lehrer. Einig ist man sich darin, dass dieser Anteil weiter erhöht werden muss. Christine Häsler will darauf hinwirken, dass möglichst viele der über 13000 Lehrpersonen der Volksschule «möglichst lange motiviert und engagiert» im Job bleiben.


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