Die Schweiz soll die Vielsprachigkeit besser
nutzen. Andrea Gmür-Schönenberger will deshalb die SRG verpflichten, sämtliche
Eigenproduktionen in den vier Landessprachen und eingekaufte Filme und Serien
in Originalsprache auszustrahlen.
SRG soll Serien nur noch in Originalsprache ausstrahlen, Blick, 19.12. von Julien Duc
Die Schweiz ist stolz auf ihre vier Landessprachen. Die Vielsprachigkeit
müsse aber besser genutzt werden, findet Nationalrätin Andrea
Gmür-Schönenberger (54, CVP): «In der Schweiz sind wir grundsätzlich sehr
sprachbegabt. Das Potenzial müssen wir aber besser ausschöpfen.»
Luft nach oben gebe es auch beim Englischen: «Holländer und Skandinavier
etwa sprechen um Welten besser Englisch als wir.» Ein weltweites Ranking,
der EF English Proficiency Index, bestätigt diese Aussage:
Während die vier nordischen Länder Schweden (Platz 1), Norwegen (4), Dänemark
(5) und Finnland (8) sowie Holland (2) allesamt unter den Top 10 zu finden
sind, dümpelt die Schweiz auf Platz 15 herum.
«Synchronisationsland»
Schweiz
Gmür-Schönenberger sieht einen Grund dafür darin, dass diese Länder
Filme und Serien in Originalsprache und nicht synchronisiert ausstrahlen – im
starken Kontrast zum «Synchronisationsland» Schweiz. Sie fordert deshalb in
einer Motion, dass die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG)
sämtliche Eigenproduktionen in den vier Landessprachen und alle eingekauften
englischen Fernsehproduktionen in der Regel in Originalsprache mit Untertiteln
ausstrahlt.
Ihre Motion nimmt nicht nur den Action-Streifen zur Primetime oder die
amerikanische Comedy-Soap am Nachmittag ins Visier, sondern auch «Tagesschau»,
«10vor10» und Co. «Ich ärgere mich, wenn ich in den Nachrichten zum Beispiel
Bundespräsident Alain Berset höre und seine Aussagen auf Französisch
übersprochen und auf Deutsch übersetzt werden.»
TV-Schauen
als gratis Fremdsprachenunterricht
Die ehemalige Gymnasiallehrerin für Englisch und Französisch ist
überzeugt, dass die Sprachensensibilität mit ihrer Motion gestärkt werde.
«Kinder und Jugendliche sitzen schon in jungen Jahren vor dem TV-Gerät. Diese
Zeit gilt es, sinnvoller zu nutzen – quasi als gratis Fremdsprachenunterricht.»
Gmür-Schönenberger habe auch ihren Schülern geraten, TV-Produktionen in
Originalsprache zu konsumieren. «Es ersetzt zwar nicht einen Sprachaufenthalt,
aber für das Sprachgefühl, Sprachverständnis, Intonation und die Aussprache ist
es ein bewährtes Mittel.» Bessere Sprachkenntnisse würden das gegenseitige
Verständnis und den kulturellen Zusammenhalt in der Schweiz stärken.
Selbst schaut
die Motionärin kaum fern
Auf den Einwand, dass ihre Motion in Zeiten von Netflix nur einen
kleinen Effekt habe, zumal auch nur die SRG betroffen wäre, entgegnet die
Motionärin: «Die SRG hat klar auch einen Bildungsauftrag. Es wäre mal ein
Anfang in der Schweiz. Wer weiss, vielleicht würden andere Sender dann
nachziehen, zumindest was Englisch anbelangt.»
Ihr Vorstoss zielt aber nicht nur auf die Fremdsprachenfertigkeiten ab:
«Die Ausstrahlung in der Originalsprache ist kostengünstig», behauptet die
Luzernerin. Sie geht von Einsparungen aus, wenn ausländische Formate in der
Originalsprache eingekauft werden und Eigenproduktionen lediglich untertitelt
werden müssen. Den Zweikanalton, den SRF schon heute bei gewissen Formaten
anbietet, brauche es dann nicht mehr.
SRG: Folgen
noch nicht abschätzbar
Die Luzernerin rechnet mit Widerstand gegen ihre Motion. «Denn es ist
schon eine Umstellung, die TV-Gewohnheiten zu ändern. Ich bin aber vom
längerfristig positiven Effekt auf die Sprachanwendung überzeugt.» Selbst würde
Gmür wohl nur selten von dem Paradigmenwechsel profitieren. «Ich muss gestehen:
Ich schaue nur sehr selten fern.» Geht sie aber ins Kino, dann schaue sie den
Film stets im Originalton.
Auf Anfrage teilt die SRG mit, dass die Folgen einer Annahme noch nicht
abschätzbar seien. Ein Verzicht auf die Ausstrahlung der Synchronfassung
reduziert die Lizenzkosten für eingekaufte Filme und Serien in der Regel aber
nicht, sagt ein Sprecher. Und das Publikum habe schon heute die
Wahlmöglichkeit, zwischen Originalversion, der Synchronfassung oder den
Untertiteln zu wählen.
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