Der erste Kindergartentag ist ein wichtiger Moment
für viele Eltern und Kinder. Was den feierlichen Anlass trübt: Immer häufiger
stossen Gemeinden auf grosse Schwierigkeiten, ihre Kindergartenstellen
überhaupt zu besetzen.
Im Kanton Zürich hat es in diesem Jahr nur knapp
gereicht. Gründe: Die Vorverschiebung der Einschulung, demografische Faktoren
und die Tatsache, dass der Kindergarten-Beruf immer unattraktiver wird wegen
der tieferen Löhne und immer mehr Kindern, deren Betreuung aufwändig ist.
Der Schweiz fehlt es an Kindergärtnerinnen, SRF, 20.8.
«Es ist extrem
belastend»
Aus der Not dürfen zurzeit sogar über 70-Jährige
oder Personen ohne Ausbildung im Kindergarten eingesetzt werden.
Auch die Zürcher Gemeinde Regensdorf hatte Mühe,
Kindergartenlehrpersonen zu finden. Der Schulleiter Urs Meier sagt, dass man
seit März eine Teilzeitstelle ausgeschrieben gehabt hätte.
Mit viel Überredungskunst konnte er schliesslich
eine ehemalige Vikarin überzeugen, die Stelle für ein Jahr zu übernehmen. «Wenn
es so grosse Anstrengungen braucht, um Stellen zu besetzen, dann ist das extrem
belastend», sagt Meier.
Zwölf Prozent
mehr Kinder
Die Leiterin des Volksschulamtes Kanton Zürich,
Marion Völger, sagt: «Wir haben 200 Kindergartenklassen mehr eröffnet in den
letzten zwei Jahren.» Das bedeutet, dass momentan im Kanton Zürich so viele
Kindergartenlehrpersonen wie noch nie am Arbeiten sind. Das sei der eine Punkt.
Der andere Punkt sei, dass die geburtenstarken Jahrgänge auch bei den
Lehrpersonen in Pension kommen «und das merken wir sehr stark.»
Die Situation dürfte sich schweizweit weiter
verschärfen. Bis 2025 soll die Zahl der Kinder von 170'000 auf 190'000
ansteigen: ein Plus von zwölf Prozent. Besonders in den Kantonen Basel-Stadt,
Zürich, Thurgau, Schaffhausen, Appenzell-Ausserrhoden, Aargau und Freiburg ist
ein noch höherer Anstieg möglich.
«Es hapert bei
der Selbstständigkeit»
Zwar werden laufend Kindergartenlehrpersonen
ausgebildet. Aber viele wechseln nach wenigen Jahren in die Unterstufe der
Primarschule. Denn in vielen Kantonen ist eine Kindergartenstelle schlechter
bezahlt und entspricht keinem 100 Prozent-Pensum.
Für Brigitte Fleuti vom Kindergartenverband Zürich
ein Grund, warum der eigentlich so schöne Beruf unattraktiver werde. Dazu
komme, dass die Betreuung der immer jünger eingeschulten Kinder aufwändiger
werde.
«Wir sehen oft, dass sie zum Beispiel viel Knowhow
haben mit dem Tablet, dass sie den Namen schon schreiben können, aber dass es
bei der Selbstständigkeit hapert», sagt Fleuti. Beim Gang aufs WC bräuchten die
Kinder Unterstützung und auch beim Umziehen fürs Turnen.
Freies Spiel
stark zurückgegangen
Unselbständigkeit – das überrascht die
Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm nicht. Die Bedürfnisse der Kinder
stünden heute für viele Eltern im Mittelpunkt: «Es ist diese Frühförderung da,
wo man sehr stark auf intellektuelle Förderung fokussiert.»
Parallel dazu sei das freie Spiel stark
zurückgegangen. Das fände man etwas Langweiliges oder Altmodisches. «Alle diese
Faktoren haben dazu geführt, dass Kinder weniger selbständig sind, weil sie so
umsorgt werden», sagt Stamm.
«Diese Betreuung
genügt nicht mehr»
Vom Windelkind bis zum kleinen Einstein – im
Kindergarten kommen sie zusammen. Es ist die erste und damit eine sehr wichtige
Schulstufe. Da müsse investiert werden. Fleuti sagt: «Ich denke da an den Lohn,
der muss gleich sein wie auf der Primarstufe.»
Auch die Gesellschaft sei schneller und intensiver
geworden. «Personelle Unterstützung ist dringend notwendig. Die Betreuung die
wir jetzt haben, genügt einfach nicht mehr», ist Fleuti überzeugt.
Unterstützung
für Lehrpersonen
Völger sagt: «Das Bundesgericht hat die Lohnklage
der Kindergärtner abgewiesen und aus diesem Grund setzen wir im Moment
natürlich auf Aspekte, die wir rasch umsetzen können.» So beispielsweise den
Einsatz von Klassenlehrassistenzen, also von Personen, die die
Kindergartenlehrpersonen unterstützen – vor allem in den ersten Wochen.
In Regensdorf ist Urs Meier schon froh, dass er die
reguläre Stelle besetzen konnte. Zumindest für dieses Schuljahr.
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