4. Juli 2018

Vorbild Fussball?

In der Debatte um die Probleme der Integration entglitt mir vor einigen Jahren in einem Interview ein – wie ich zugeben muss - ziemlich pauschalisierender Satz: „Die vielen Fussballtrainer in unserer Region, die sich gratis und franko viele Wochenende um unsere Migrantenjungs kümmern, leisten vermutlich mehr für die Integration als all die bezahlten Integrationshelferinnen in unseren Ämtern, Vereinen und Behörden.“ Dieses Statement war der Beginn einer wunderbaren Feindschaft zwischen mir und den Angestellten des Sozialapparats sowie deren politischen Zudienern in den Parlamenten.
Vorbild Fussball, Bieler Tagblatt, 2.7. von Alain Pichard




Kurz nachdem unsere derzeitigen Lieblingskosovaren Xhaka und Xherdan an der WM 2018 die wichtigen Tore für die Schweiz erzielt hatten, schien sich eine Zeitung in Deutschland auf meinen Satz zu besinnen und jubilierte: „Der Fussball – wo Integration gelingt!“ Im Text las man dann auch den Ratschlag an die Schule, sich doch beim Fussball über dessen Erfolgsrezept zu erkundigen.
Gesagt, getan: Da ich natürlich für neue Impulse immer offen bin und mich in meiner täglichen Arbeit mit meinen Migrantenkids gerne an erfolgreichen Vorbildern orientiere, nehme ich mir vor, auf das neue Schuljahr nach folgenden Grundsätzen zu unterrichten.
  • In mein «Kader» bzw. meine Klasse wird nur berufen, wer das benötigte Profil hat und seine Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat.
  • Wer die Leistung nicht erbringt, muss mein Kader verlassen. Es gibt keinen Stützunterricht, höchstens Straftraining.
  • Wer in den Kader berufen wird, tut, was ich sage, denn der Trainer, also ich bin der Boss. Wer meckert fliegt.
  • Alle strengen sich an, es gibt ein klares Punktesystem, die Leistung auf dem Spielfeld «Unterricht» zählt. Es werden keine Debatten über angebliche Benachteiligung geführt und schon gar kein Nachteilsausgleich gewährt. Wer versagt, kommt auf die Bank oder wird ausgesondert.
  • Es gelten klare und gleiche Spielregeln. Für alle. Und sie werden auch nicht jeden Tag neu ausgehandelt. Wenn ein Spieler einen anderen rotwürdig foult, dann verweist der Schiedsrichter den Spieler vom Platz. So auch bei mir im Unterricht. Kein Stuhlkreis, kein Psychiater, keine Nachsichtigkeit aufgrund eines Traumas im Jugendfussball.
  • Mädchen und Knaben sind strikt getrennt.
  • Vor den Spielen bzw. den Testen wird die Schweizer Nationalhymne gesungen.
  • Nicht alle Spieler sind gleich. Manche spielen sensationell, andere nicht. Einige verdienen mehr, andere weniger. So auch im Unterricht. Es gibt Zensuren und eine Skala 6 – 1. Die guten kommen in eine höhere Leistungsklasse, die schlechten werden ins B-Team verbannt.
  • Es zählen nur das Resultat und die gewonnenen Zweikämpfe!
Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob der Journalist an diese Art Umsetzung gedacht hat. Und auch ich habe jetzt meine Zweifel. Denn ich habe wieder einmal die Rechnung ohne Wirt gemacht. Und der Wirt sagt mir: «Wenn du die Saisonziele mit deinem Team nicht erreichst, wirst du entlassen.»



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen