16. Mai 2018

Überforderungs-Initiative der Starken Schule

Es dürfte eine der letzten Volksinitiativen der Starken Schule sein, über die am kommenden 10. Juni abgestimmt wird. Für die Überforderungs-Initiative, lanciert im Jahr 2015, als Urs Wüthrich (SP) eben erst an der Spitze der Baselbieter Bildungsdirektion von Monica Gschwind (FDP) abgelöst wurde, dürften aber die Erfolgschancen klein sein.
Es geht darum, den Englischunterricht von der Primarschule in die Sekundarschule zu verschieben – eine Forderung, über die bisher noch kein einziger Kanton in der Schweiz an der Urne abgestimmt hat. Die einst breit abgestützte Volksinitiative hat aber Anhänger verloren: Im Landrat wurde die Nein-Parole mit deutlichen 56 zu 18 Stimmen beschlossen – obwohl sich inzwischen abzeichnet, dass Frühenglisch nicht zu besseren Englischkenntnissen führt.
Englisch erst in der Sekundarschule? Basler Zeitung, 16.5. von Thomas Dähler


Mit der Überforderungs-Initiative wollen die Starke Schule und ihr unermüdlicher Kopf Jürg Wiedemann erwirken, dass die Schülerinnen und Schüler auf der Primarschulstufe nicht länger mit dem gleichzeitigen Erlernen von zwei Fremdsprachen überfordert werden. Der gleichzeitige Unterricht in Französisch und Englisch hat den Nachteil, dass die Anzahl Wochenlektionen pro Fremdsprache sich auf nur zwei oder drei beschränkt, was für die Sprachfortschritte nachteilig ist und die Schülerinnen und Schüler stark belastet. Im Schulalltag ist Englisch viel beliebter als Französisch – die Initiative will aber ausgerechnet Englisch auf die Sekundarschulstufe verschieben.

Für die Initiative spricht, dass tatsächlich viele Schülerinnen und Schüler mit dem gleichzeitigen Erwerb von zwei Fremdsprachen überfordert sind, besonders wenn ihre Deutschkenntnisse auch noch ungenügend sind. Dies belegt die Leistungsschere, die in den Klassen auseinanderdriftet. Der Aufwand für den Sprachunterricht ist gross und trägt keine Früchte. Die Zürcher Linguistin Simone Pfenninger hat nachgewiesen, dass Spätlernende die Frühlernenden in ihren Sprachkenntnissen schon nach kurzer Zeit einholen. Auch die Auswertung der Checks im Kanton Aargau hat diesen Befund bestätigt.

Ineffizient und teuer
Das Initiativkomitee schreibt in seiner Stellungnahme im Abstimmungsbüchlein, das jetzige Fremdsprachenkonzept sei ineffizient, extrem teuer und führe zu einem spürbaren Bildungsabbau im Kernfach Deutsch und in anderen zentralen Fächern. «Es bindet enorme Ressourcen und verursacht gigantische Mehrkosten in Millionenhöhe ohne jeglichen Mehrwert.»

Gegen die Initiative kann vor allem ins Feld geführt werden, dass Baselland nach einem Ja der einzige Kanton wäre, der mit dem Englischunterricht erst in der 7. Klasse begänne. Dies würde die Mobilität der Familien mit Kindern stark einschränken. In den meisten Deutschschweizer Kantonen wird heute Englisch ab der 3. Klasse unterrichtet. In den Kantonen Basel-Stadt, Bern, Solothurn, Freiburg und Wallis gilt das gleiche Konzept wie heute in Baselland: Englisch als zweite Fremdsprache ab der 5. Klasse.

Der Regierungsrat weist in den Abstimmungsunterlagen darauf hin, dass Baselland aus dem Harmos-Konkordat aussteigen müsste. Baselland hat zusammen mit 14 weiteren Kantonen im Harmos-Konkordat vereinbart, dass eine erste Fremdsprache ab der 3. Klasse und eine zweite ab der 5. Klasse unterrichtet werden. Die Regierung behauptet zudem, mit einem Ja zur Initiative bestehe das Risiko, dass der Bund eingreife. Das aber ist nachweislich falsch: Der Bund hat lediglich erwogen, zugunsten einer zweiten Landessprache in der Primarschule zu intervenieren, hat das Unterfangen aber abgebrochen, weil es von den Kantonen abgelehnt wurde. Das Schweizer Sprachengesetz fördert zudem nicht Englisch, sondern die Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

Harmonisierung missglückt
Auf 3,6 Millionen Franken schätzt die Regierung die Kosten, die anfallen würde, wenn der Kanton sein jetziges Sprachenkonzept wieder änderte. Und die mit Blick auf die Einführung von Frühenglisch inzwischen ausgebildeten Primarlehrerinnen und -lehrer wären für den Unterricht in den Sekundarschulen nicht zugelassen.

Hintergrund des Streits um den Zeitpunkt des Beginns des Fremdsprachenunterrichts in den Schulen ist auch die missglückte Harmonisierung der Sprachen zwischen den Kantonen. Diese waren nicht in der Lage, sich landesweit oder zumindest in der Deutschschweiz auf die Reihenfolge der Sprachen zu einigen. So beginnen die meisten Deutschschweizer Kantone anders als Baselland mit Englisch als erster Fremdsprache in der 3. Klasse. Schon heute schafft deshalb ein Umzug vom Baselbiet in den Aargau Probleme.


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