15. Mai 2018

Gewalt gegen Lehrer

Die Zahl verbaler und körperlicher Übergriffe auf Lehrpersonen nimmt in der Schweiz zu. Schuld sei vor allem der fehlende Respekt, sagen Experten.
Auf junge Lehrkräfte wird grosser Druck ausgeübt, Bild: Patrick Pleul
Aggro-Schüler gehen auf junge Lehrer los, 20 Minuten, 8.5. von D. Krähenbühl und S. Walder


Eine Berufsschule in Luzern sprach im März 2018 wegen Drohungen gegen Lehrer ein Hausverbot gegen einen Lehrling aus. Später kehrte der Schüler trotzdem zurück und schlug auf seinen Lehrer ein. Dieser musste ins Spital, die Schule reichte Strafanzeige ein. Im Februar 2018 bedrohte ein Schüler in Schaffhausen eine Lehrperson mit dem Tod. Auch hier wurde die Polizei eingeschaltet und der Schüler verzeigt. In einem anderen Fall, der sich letzten Herbst in Dietikon ereignete, verprügelte die Mutter eines Schülers seine Lehrerin – aus Rache, weil der elfjährige Bub von der Kesb fremdplatziert worden war.

Dass selbst tätliche Angriffe keine Ausnahmen mehr sind, bestätigt Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Gleichzeitig habe die Zahl verbaler Übergriffe zugenommen. Immer wieder komme es zu Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen oder Mobbing. «Gerade auf junge Lehrpersonen, die ihre Ausbildung gerade abgeschlossen haben, wird ab und zu von den Eltern grosser Druck ausgeübt.»

Weniger Respekt für Lehrer

Als Hauptgrund dafür sieht sie den schwindenden Respekt gegenüber Lehrpersonen. Das habe vor allem gesellschaftliche Gründe: Der Ton und die Sprache in Gesellschaft und Politik sei rauer geworden. «Konflikte eskalieren schneller und werden mit härteren Mitteln ausgetragen.» Per Facebook oder Whatsapp werde heutzutage noch schneller mal eine Drohung ausgesprochen als unter vier Augen. Ausserdem färbe die negative Einstellung einzelner Eltern gegenüber den Lehrpersonen oftmals auf die Kinder ab.

Trotzdem bleibe Gewalt an Lehrern ein Tabuthema. «Aus falscher Scham oder Unsicherheit melden es die Lehrpersonen oft nicht immer weiter, wenn sie von psychischer oder physischer Gewalt betroffen sind», sagt Peterhans. Sie betont aber auch, dass der Grossteil der Eltern Schule und Lehrpersonen positiv gegenübersteht.

Eltern als Vorbilder

Dass sich die Zahl an Gewalt gegenüber Lehrpersonen häuft, bestätigt auch Roland Amstutz vom Verband Bildung Bern: «Über die letzten drei Jahre ist ein klarer Anstieg an körperlicher Gewalt gegenüber Lehrpersonen zu erkennen.» Vor allem Lehrerinnen würden vermehrt zum Ziel.

Besonders ausgeprägt äussere sich das bei eher jüngeren oder unerfahrenen Lehrerinnen. «Ein Schüler erlaubt sich mehr, wenn er der Lehrperson körperlich überlegen ist und diese gleichzeitig nur über wenig Autorität verfügt. Die Gründe für den fehlenden Respekt sind sehr vielfältig, sagt Amstutz. Möglich sei etwa, dass der kulturelle Hintergrund der Familie eine Rolle spiele. «Das Verhalten der Eltern und ihr Umgang mit der Lehrperson beeinflussen klar das spätere Verhalten des Kindes.»

Dass Eltern eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Pädagogen spielen, bestätigt Thomas Richter, Geschäftsleiter des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention. «Wenn die Eltern die Lehrperson der Kinder schlechtreden oder ihr gegenüber sogar übergriffig werden, geben sie ihren Kindern kein gutes Vorbild ab.» Die Kinder könnten dann sogar unbewusst die Meinung der Eltern übernehmen.


1 Kommentar:

  1. Gemäss der repräsentativen Umfrage «Gewalt gegen Lehrkräfte» unter 1200 Schulleitern in Deutschland ist es in rund jeder zweiten Schule schon einmal zu Gewalt gekommen.

    Die Studie wurde im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) vom unabhängigen Forschungsinstitut Forsa durchgeführt. Die Ergebnisse, die im Februar 2018 veröffentlicht wurden, lassen sich ansatzweise auch auf die Schweiz übertragen, sagt Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH):


    In 48 Prozent der Schulen kam es in den letzten fünf Jahren schon zu Beschimpfungen, Bedrohungen, Mobbing oder Belästigungen gegenüber dem Lehrpersonal.

    Bei 20 Prozent der Schulen wurde über das Internet diffamiert, belästigt, bedrängt, bedroht oder genötigt.

    In 26 Prozent der Schulen kam es gar zu einem körperlichen Angriff.
    Quelle: 20 Minuten

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