Die Baselbieter Schulen sollen dazu verpflichtet werden,
Integrationsschwierigkeiten von Schülern mit ausländischer Staatsbürgerschaft
dem Amt für Migration zu melden. Die nach der Handschlag-Affäre beantragte
Gesetzesänderung ist im Landrat umstritten.
Bei der ersten Lesung am Donnerstag sprachen sich SVP und FDP für die
Änderungen des Bildungsgesetzes aus. Eine Meldepflicht würde den Schulen eine
Wahrnehmung des Integrationsauftrags ermöglichen, sagte ein FDP-Sprecher. Zudem
würden damit notwendige Grenzen gesetzt.
Umstrittene Meldepflicht bei Integrationsdefiziten, Basler Zeitung, 26.4.
Umstritten ist die Vorlage bei Grünen/EVP, CVP/BDP und GLP/G-U. In allen
Fraktionen unterstützte indes eine Mehrheit die Pflicht. Diese würde den
Schulleitungen ermöglichen, einen gewissen Druck auf Eltern auszuüben, sagte
ein Sprecher von GLP/G-U. Solche Fälle würden gemäss einem CVP-Landrat
zunehmen.
Gegen eine Meldepflicht stellte sich die SP. In der Vernehmlassung sei
klar zum Ausdruck gekommen, dass die Schulen eine solche Pflicht nicht wollen.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrpersonen würde untergraben.
Zudem sei störend, dass das Gesetz nur bei ausländischen Schülern greife, bei
Schweizern, die sich etwa radikalisieren, jedoch nicht.
Einen Antrag der SP, statt einer Meldepflicht ein Melderecht
einzuführen, lehnte der Landrat mit 59 zu 27 Stimmen ab. Einen definitiven
Entscheid zur Vorlage fällt der Landrat jedoch erst nach der zweiten Lesung.
Meldepflicht als «letzte Möglichkeit»
Gemeldet werden sollen mit der Meldepflicht «wesentliche Probleme»: Die
Vorlage nennt etwa eine Verweigerung der Teilnahme oder eine massive Störung
des Unterrichts, eine respektlose Behandlung insbesondere von weiblichen Lehr-
und Respektspersonen sowie von Schülerinnen oder konkrete Anzeichen einer
Radikalisierung.
Eine Meldung an das Amt für Migration soll erst dann erfolgen, wenn «die
zumutbaren pädagogischen Bemühungen erfolglos geblieben sind». Bisher durften
Schwierigkeiten nicht dem Amt gemeldet werden, wie der Kommissionspräsident in
der Parlamentsdebatte sagte.
Eine Meldepflicht sei notwendig, sagte Bildungsdirektorin Monica
Gschwind im Landrat. Schulen müssten immer stärker «Integrieren und
Sozialisieren» und würden dabei an ihre Grenzen stossen. Die Ausländerbehörde
könne fachkundig über Vorfälle urteilen. Eine Pflicht stelle zudem sicher, dass
einheitlich gehandelt werde.
Kostenbeteiligung für Disziplinarmassnahmen
Im Weiteren soll eine Achtung der «Werte einer freiheitlichen,
gleichberechtigten und solidarischen Gesellschaft» im Bildungsgesetz verankert
werden. Gegen die Änderung stellte sich die GLP, weil sie die
Meinungsäusserungsfreiheit einschränke. Diese zu streichen, lehnte der Landrat
mit 73 zu 5 Stimmen und 6 Enthaltungen ab.
Ebenfalls festgeschrieben werden soll, dass neben Unterricht auch
Schulveranstaltungen lückenlos besucht werden müssen. Der Besuch einer lokalen,
traditionellen Veranstaltung soll damit nicht aus religiösen Gründen verweigert
werden können.
Mit einer Gesetzesänderung sollen die Schulleitungen zudem dazu
verpflichtet werden, für einen «diskriminierungsfreien Schulbetrieb» zu sorgen.
Mit diesem Passus soll auch eine Diskriminierung von Minderheiten sanktioniert
werden können.
Für den Besuch besonderer Programme ausserhalb des Unterrichts im Rahmen
von Disziplinarmassnahmen sollen zudem Kostenbeiträge erhoben werden können.
Reaktion auf «Handschlag-Affäre»
Mit den vorgelegten Gesetzesänderungen hatte die Regierung auf
überwiesene Vorstösse aus dem Landrat reagiert. Diese waren in der Folge der
sogenannten «Handschlag-Affäre» in Therwil eingereicht worden, die im Frühjahr
2016 über die Landesgrenzen Schlagzeilen ausgelöst hatte.
An der Sekundarschule Therwil hatte die Schulleitung zwei muslimische
Schüler zeitweise von der dort üblichen Handschlagpflicht dispensiert. Die
beiden hatten ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen den Handschlag verweigert.
Aus der Vorlage gekippt hatte die vorberatende Justiz- und
Sicherheitskommission eine ebenfalls beantragte Verfassungsänderung. Damit
hätte die Verfassung eine Bestimmung erhalten sollen, welche bürgerliche
Pflichten höher wertet als religiöse und weltanschaulichen Haltungen. Es war
fraglich, ob ein solch allgemeiner Paragraf die gewünschte Wirkung entfalten
könne.
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