In den Aarauer Schulen lässt sich ein ganz eigener
Geldfluss feststellen. Die Stadt hat 2015 im Zuge von Sparmassnahmen die
Beiträge für Schulreisen, Schullager und sonstige Ausflüge reduziert. Da die
Kinder, angetrieben von übermotivierten Lehrpersonen, dummerweise doch noch an
Schulreisen, Schullagern und Ausflügen teilnehmen möchten und diese in den
letzten Jahren sicherlich eher teurer als günstiger geworden sind, müssen sie
halt die nötigen Batzen woanders herholen.
An Aarauer Schulen werden Pausenkioske betrieben. Bild: Christoph Voellmy
Backe, backe Kuchen für die Schulen, Aargauer Zeitung, 3.4. von Silvia Dell'Aquila
Das Zauberwort heisst «Pausenkiosk». Eltern gehen
also Backsachen einkaufen und stellen die Verkaufsobjekte auch gleich selber
her, weil die Kinder keine Zeit haben oder das nicht so gut können (man will
sich doch nicht blamieren). Kuchen, Waffeln, Muffins und weitere Leckereien
werden dann in die Schule mitgegeben, worauf sie in der Pause an andere Kinder
verkauft werden, die dafür einen Fünffränkler von ihren Eltern zugesteckt
bekommen haben. Und so geht’s weiter Woche für Woche, bis alle ihre Batzen für
die Schulausflüge zusammen haben.
Geld fliesst einerseits in Lebensmittelläden, damit die Kinder etwas an die anderen Kinder verkaufen können, um so an das Geld von anderen Eltern zu kommen. Ihrerseits erhalten dann die Kinder dieser Eltern später wiederum Geld von den Kindern, die den Pausenkiosk mit dem Geld ihrer Eltern leerkaufen. Und es ist ja auch nicht so, dass Mütter und Väter sonst nichts bezahlen, denn beispielsweise für das Schullager wird in Aarau eine Elternbeitrag von 200 Franken pro Kind erhoben.
Das Bundesgericht hat im Januar einen
weitreichenden Entscheid in Sachen Schullager getroffen: höchsten 80 Franken dürfe
der Elternbeitrag betragen, so das Urteil aus Lausanne. Dieser Entscheid dürfte
die Frequenz von «Pausenkiosken» noch weiter ankurbeln. Oder das Schullager und
weitere Schulausflüge für immer beerdigen. Denn, will und kann die Stadt noch
die zusätzlichen 120 Franken pro Kind – würde das Bundesgerichtsurteil
umgesetzt – für ein Schullager aufbringen? Wohl nicht. Oder es wird dann bei
der Schulreise und anderen Ausflügen gespart. Es wird sich die Grundsatzfrage
stellen, was zum Unterricht gehört. Was soll obligatorisch sein, was
fakultativ? Haben Schulreisen, Schullager oder Ausflüge in Museen, Theater oder
archäologischen Stätten einen pädagogischen Wert? Ich meine ja, und wie
Schulbücher und Schulmaterial gehören sie zur Grundausstattung einer Schule. Begrenzt
vielleicht, aber sie gehören dazu.
Es ist wohl zu erwarten, dass Eltern immer mehr zur
Kasse gebeten werden, durch Beiträge, die sie bezahlen müssen oder Schullager
und weitere Schulausflüge noch verstärkt durch «Pausenkioske», Veloputzaktionen
oder anderes querfinanziert werden. Dies sollte eigentlich die Ausnahme und
nicht die Regel sein. Extraprojekte können und sollen gerne damit finanziert
werden. Aber wenn die Ausnahme zur Regel wird, läuft etwas schief. Kann sich
Aarau die Schulreise, das Schullager und ein Museumsbesuch für unsere Kinder
wirklich nicht mehr leisten? Um nicht noch von all dem Zucker zu reden, den die
Kinder mit dem Segen der Schule zu sich nehmen, weil an den Kiosken dauernd
Süsses angeboten wird.
Die Behörden sind gefordert: Obligatorische
Schulausflüge sollen genau definiert und die Finanzierung sichergestellt
werden. Denn sicher ist eins, der Unterricht darf nicht nur im Schulzimmer
stattfinden. Es gibt nichts Nachhaltigeres als Selbsterlebtes. Neue Interessen
werden geweckt, das Lernen von trockenem Stoff wird einfacher und auch die
sozialen Aspekte dürfen nicht ausser Acht gelassen werden. Doch bis dahin
werden wohl die Aarauer Eltern weiterbacken, den Kindern Geld zustecken und den
eigenartigen Geldfluss an den Aarauer Schulen weiter bedienen müssen –
zumindest die, welche es können.
Silvia Dell’Aquila (42) betreibt die Internet-Plattform «We love Aarau».
Die Soziologin ist Regionalleiterin VPOD.
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