In den
USA heissen sie «Dreamers», in der Schweiz «Sans-Papiers» – Personen ohne
geregelten Aufenthaltsstatus. Wie viele es sind, kann nur geschätzt werden: So
geht das Staatssekretariat für Migration (SEM) nach einer Auswertung von 58'000
bis 105'000 Sans-Papiers aus, die derzeit illegal in der Schweiz leben. Und wie
in den USA geben sie derzeit auch in der Schweiz zu reden: Die Kommission für
soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) hat Ende Januar mit deutlicher Mehrheit
(17 zu 8 Stimmen) eine Motion eingereicht, die die Einschränkung der Rechte der
Papierlosen vorsieht.
"Lehrpersonen sind keine Mitarbeiter der Migrationsbehörden", Tages Anzeiger, 8.2.
So soll
künftig der Rechtsanspruch auf Sozialversicherungen wie AHV und
Krankenversicherungen auf Personen mit geregeltem Aufenthaltsstatus beschränkt
werden. Die Versorgung der Papierlosen soll im Krankheitsfall durch eine
staatliche Anlaufstelle sichergestellt werden. Weiter sollen Arbeitgeber und
Wohnungsvermieter von Sans-Papiers härter bestraft werden. Und auch der
Datenaustausch zwischen staatlichen Stellen soll erleichtert werden. Lehrer
müssten demnach die Kinder von Sans-Papiers melden.
Am 7.
März wird der Nationalrat während der Frühlingssession die Motion der SGK
behandeln und wohl dem Vorschlag seiner Kommission folgen.
Beat W.
Zemp, wie steht der Lehrerverband zur
SGK-Motion, welche unter anderem vorsieht, dass Lehrpersonen
Sans-Papiers-Kinder melden müssen?
Ich habe zwar Verständnis für die Migrationsbehörde, die den Status der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländern klären möchte. Doch kann dies nicht über die Schule geschehen. Ich habe bereits im Zusammenhang mit dem «Aktionsplan gegen Radikalisierung» von Bundesrätin Sommaruga gesagt: Lehrkräfte sind weder Mitarbeiter des Nachrichtendienstes noch der Migrationsbehörde.
Ich habe zwar Verständnis für die Migrationsbehörde, die den Status der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländern klären möchte. Doch kann dies nicht über die Schule geschehen. Ich habe bereits im Zusammenhang mit dem «Aktionsplan gegen Radikalisierung» von Bundesrätin Sommaruga gesagt: Lehrkräfte sind weder Mitarbeiter des Nachrichtendienstes noch der Migrationsbehörde.
Tangiert
die Motion Ihrer Meinung nach das Recht auf Grundschulunterricht?
Ja, und für uns ist klar: Das Recht, das in der Bundesverfassung verankert ist, gilt vor jeglicher Meldepflicht. Bildung bleibt Grundrecht, unabhängig von jeglichem Status.
Ja, und für uns ist klar: Das Recht, das in der Bundesverfassung verankert ist, gilt vor jeglicher Meldepflicht. Bildung bleibt Grundrecht, unabhängig von jeglichem Status.
Warum
wehren sich Lehrkräfte denn so vehement, solche Informationen weiterzugeben?
Die Grundbasis der Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler ist Vertrauen. Würden Lehrpersonen nun aufgefordert, ihren Schülern nachzuspionieren oder sie zu überwachen, würde dieses Vertrauensverhältnis gestört. Es entstünde ein enormer Schaden.
Die Grundbasis der Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler ist Vertrauen. Würden Lehrpersonen nun aufgefordert, ihren Schülern nachzuspionieren oder sie zu überwachen, würde dieses Vertrauensverhältnis gestört. Es entstünde ein enormer Schaden.
Inwiefern?
Stellen Sie sich beispielsweise vor, ein Kind verschwindet nach einer Meldung einer Lehrperson von einem Tag auf den anderen. Das wäre für die Klasse ein enormes Problem. Die Schüler könnten nicht Abschied nehmen, könnten keine Kontaktdaten austauschen. Dies liefe gegen die pädagogischen Grundaufgaben der Lehrperson.
Stellen Sie sich beispielsweise vor, ein Kind verschwindet nach einer Meldung einer Lehrperson von einem Tag auf den anderen. Das wäre für die Klasse ein enormes Problem. Die Schüler könnten nicht Abschied nehmen, könnten keine Kontaktdaten austauschen. Dies liefe gegen die pädagogischen Grundaufgaben der Lehrperson.
Unterliegen
Lehrpersonen denn gegenüber den Behörden gänzlich einer Schweigepflicht?
Nein, im Gegenteil. Mit dem neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrecht machen Lehrpersonen Gefährdungsmeldungen – beispielsweise an die Kesb. In diesem Fall steht aber einzig das Kindeswohl im Vordergrund.
Nein, im Gegenteil. Mit dem neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrecht machen Lehrpersonen Gefährdungsmeldungen – beispielsweise an die Kesb. In diesem Fall steht aber einzig das Kindeswohl im Vordergrund.
Eine
mögliche Umsetzung der Motion wäre auch, dass die Lehrpersonen nur Zahlen und
keine konkreten Daten an die Behörden liefern.
Wie sollen Lehrpersonen denn da vorgehen? Müssten Schüler am ersten Schultag ihren Pass zur Inspektion vorlegen? Das wäre ein Umgang mit vertraulichen Daten, den ich als nicht konform ansehe und bei welchem ich mir auch nicht vorstellen kann, dass dies funktionieren soll.
Wie sollen Lehrpersonen denn da vorgehen? Müssten Schüler am ersten Schultag ihren Pass zur Inspektion vorlegen? Das wäre ein Umgang mit vertraulichen Daten, den ich als nicht konform ansehe und bei welchem ich mir auch nicht vorstellen kann, dass dies funktionieren soll.
Was sind
mögliche Reaktionen von Sans-Papiers-Eltern auf die vorliegende Motion?
Es kommt darauf an, wie die Vorlage umgesetzt würde. Aber wenn von Lehrpersonen wirklich verlangt würde, aktiv nachzuforschen, dann ist es gut möglich, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Wir haben dies beispielsweise in den 1990er in Genf gesehen: Als dort die Frage der Sans-Papiers stärker zum Politikum wurde, versteckten die Eltern die Kinder zu Hause.
Es kommt darauf an, wie die Vorlage umgesetzt würde. Aber wenn von Lehrpersonen wirklich verlangt würde, aktiv nachzuforschen, dann ist es gut möglich, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Wir haben dies beispielsweise in den 1990er in Genf gesehen: Als dort die Frage der Sans-Papiers stärker zum Politikum wurde, versteckten die Eltern die Kinder zu Hause.
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