Der Luzerner Lehrerinnen- und
Lehrerverband (LLV) schlägt Alarm: «Die erfolgreiche Umsetzung des Lehrplans 21
im Fach Textiles und Technisches Gestalten auf der Primar ist in Gefahr», sagt
LLV-Präsidentin Annamarie Bürkli, die auch der entsprechenden Fachkommission
vorsteht. Insbesondere aufgrund der vom Kantonsrat geforderten kostenneutralen
Umsetzung des Lehrplans 21 (LP 21) verbunden mit der neuen Wochenstundentafel
sei es zu «erheblichen Veränderungen» gekommen. Darum ruft Bürkli im
Verbandsmagazin dazu auf, die bisherigen Erfahrungen mitzuteilen.
Kanton krempelt Handarbeit um, Luzerner Zeitung, 10.2. von Evelyne Fischer
Auf das neue Schuljahr hin wurde in
der 5. Klasse im Fach Textiles und Technisches Gestalten (TTG) die Zahl der
Lektionen von drei auf zwei reduziert. In der 2. Primar stehen keine
zusätzlichen Lektionen für den Halbklassenunterricht mehr zur Verfügung. Das
führe zu Problemen, sagt Bürkli: «Dass die Handfertigkeiten der Schüler sehr
unterschiedlich ausgeprägt sind, fällt jetzt viel mehr ins Gewicht.» Es sei
deutlich schwieriger, allen gerecht zu werden. Hinzu komme: «Auf der zweiten
Primarstufe werden die TTG-Lektionen meist von Klassenlehrerinnen ohne
Fachqualifikation bestritten.»
Werkzeug fehlt, Werkräume sind zu
klein
Dieses Problem könnte sich in Zukunft
verschärfen: An Gymnasien wird das Fach Handarbeit gestrichen (Ausgabe vom 17.
November 2017). Bürkli befürchtete, dass es dadurch bald «noch weniger
Studenten an der Pädagogischen Hochschule gibt, die das nötige Know-how
mitbringen, dieses Fach wählen und dann auch unterrichten».
Die bestehende Einschränkung für den
Halbklassenunterricht führe auch zu Schwierigkeiten in der Infrastruktur, sagt
Bürkli. Weil nun bis zu 22 Kinder miteinander unterrichtet würden, seien nicht
immer genügend Werkzeuge und Materialien vorhanden. Auch führe man die
Lektionen aus Platzgründen öfters im Klassenzimmer statt im Werkraum oder
Handarbeitszimmer durch. Bürkli: «Solche Umstände begünstigen
Aufgabenstellungen, die möglichst wenig Aufwand, Lärm und Dreck verursachen.»
Vermehrt würden auch disziplinarische Probleme auftreten, die beim
Halbklassenunterricht noch zu bewältigen waren: «Eine Lehrperson für eine ganze
Klasse im Fach Handarbeit oder Werken ist schlicht zu wenig. Die Schülerinnen
und Schüler können zu wenig gefördert und gefordert werden», sagt Bürkli.
«Statt das Fach TTG zu stärken, weil dieses mithilft, die Feinmotorik zu
entfalten und sich positiv auf die kognitive Entwicklung eines Kindes auswirkt,
werden genau hier Lektionen abgebaut.»
Charles Vincent, Leiter der
Dienststelle Volksschulbildung, weiss von den Schwierigkeiten – zum einen wurde
er direkt von Schulleitungen kontaktiert, zum anderen erhielt er die
Rückmeldungen des LLV. Vincent sagt zu Bürklis Aufruf: «Wer nach Rückmeldungen
fragt, wird auch solche erhalten.» Die jetzige Handhabung sei von der Regierung
Ende 2014 beschlossen worden. «Von einer Überraschung, wie es gewisse
Lehrpersonen nun darstellen, kann keine Rede sein.»
Dienststelle handelt – und verschiebt
Kompetenzen
Nichtsdestotrotz: Dass das
Unterrichten von Handarbeit und Werken für gewisse Klassenlehrer in der 2.
Primar herausfordernd sei, nehme man ernst. «Wir geben den Schulleitungen an
der Regionalkonferenz im März ein Merkblatt ab», sagt Vincent. So könnten
einzelne Fertigkeiten – etwa Knüpfen oder Zwirnen – von der 2. in die 3. Klasse
verschoben werden. Weiter werde man sich überlegen, für Klassenlehrer bei
Bedarf Kurse anzubieten. «Die meisten Grundkompetenzen am Ende der 2. Klasse
sind aber erreichbar», sagt Vincent und pocht auf etwas Geduld. Die Umsetzung
des Lehrplans 21 brauche Zeit, auch in Bereichen wie Medien und Informatik.
«Bis alles vollständig umgestellt ist, dauert es vier Jahre. Ohne dass die
Kinder darunter leiden.» Er betont aber, dass beim TTG für die Erarbeitung
einzelner Kompetenzen Fachräume mit genügend Werkzeug nötig seien.
Laut Vincent stellt das TTG nicht
«flächendeckend» ein Problem dar. «Bei Fachlehrpersonen, denen Lektionen
abhandenkamen, sorgte der Lehrplan 21 für eine Verschlechterung, das ist klar.»
Den Abbau der Halbklassen in der 2. Primar hielt das Bildungsdepartement
aufgrund der Erfahrungen in den fast 90 Basisstufen für vertretbar. «Auch dort
findet der TTG-Unterricht mit der Klassenlehrperson und ohne Gruppentrennung statt.»
Überdies sei eine Trennung der Klasse auch ab der 3. Primar erst bei 17
Schülern zwingend und ab 16 Schülern möglich. «Es gibt Nachbarkantone, die in
der 2. Primar auch keine Halbklassen kennen.»
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