Auf
zum letzten Gefecht gegen den Lehrplan 21! So liesse sich das Motto der
Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» beschreiben, über die im Kanton Zürich am
4. März abgestimmt wird. Oder so: Wir müssen mehr Demokratie in der Schule
wagen! Die Parolen mögen gut klingen. Nur: Sie sind falsch. Aber der Reihe
nach.
Der Lehrplan 21 basiert auf einem demokratischen Prozess, Limmattaler Zeitung, 25.2. von Matthias Scharrer
Anlass für die aktuelle Volksinitiative ist
der Lehrplan 21. Mit ihm sollen die Lehrpläne in den 21 Deutschschweizer und
mehrsprachigen Kantonen einander angeglichen und gleichzeitig auf den neusten
Stand gebracht werden. So legt der Lehrplan 21, der in der Zürcher Volksschule
etappenweise ab diesem Sommer in Kraft tritt, mehr Wert auf Kompetenzen der
Schülerinnen und Schüler. Statt einfach vorzuschreiben, was bis wann in der
Schule behandelt werden muss, definiert er, was die Schulkinder bis wann können
müssen. Zudem wird für Fünftklässler das neue Fach Medien- und Informatik
eingeführt. Weitere Neuerungen: Der Englisch-Unterricht beginnt neu erst ab der
3. statt 2. Klasse, dafür mit mehr Lektionen. Für Deutsch gibts dafür neu in
der 2. Klasse eine Lektion mehr pro Woche. Ferner wird das Fach Religion und
Kultur mit Ethik ergänzt. Insgesamt weniger Lektionen gibts in Handarbeit. Auf
Sekundarstufe wird die berufliche Orientierung verstärkt.
Nicht die ersten Versuche
Die
nun an die Urne kommende Initiative im Kanton Zürich und eine gleichzeitig im
Kanton Bern behandelte Schwesterinitiative sind nicht die ersten Versuche, die
Einführung des Lehrplans 21 per Volksabstimmung zu stoppen. Ähnliche Versuche
gab es in den Kantonen Aargau, Solothurn, Basel-Landschaft, Schaffhausen,
Thurgau und Appenzell-Innerrhoden. Sie scheiterten allesamt.
Erstaunlich ist dies nicht. Denn der Anstoss zum Lehrplan 21 kam schliesslich vom Schweizer Volk: Mit dem Ja zum Bildungsartikel gab dieses 2006 den Auftrag zur Harmonisierung der Schulen. Das Kantonalzürcher Stimmvolk doppelte 2008 mit dem Ja zum Harmos-Konkordat nach.
Auch
im Zürcher Kantonsrat blieben die Gegner des Lehrplans 21 deutlich in der
Minderheit: Das Parlament lehnte die Initiative «Lehrplan vors Volk» mit 113 zu
56 Stimmen ab. Ausser der SVP und der EDU waren alle dagegen. Die Nein-Parole
zur nun anstehenden Abstimmung haben denn auch SP, FDP, CVP, BDP, GLP, Grüne,
EVP und AL ausgegeben. Lediglich SVP und EDU stehen für ein Ja ein.
Zu langwierige Prozesse
Doch
was wäre das Problem, wenn der Kantonsrat respektive das Volk über Lehrpläne zu
entscheiden hätte? FDP-Kantonsrätin Cäcilia Hänni brachte es auf den Punkt: «Diese
Volksinitiative führt die Volksrechte ad absurdum.» Parlaments- und
Volksentscheide wären zu langwierige Prozesse, um einen Lehrplan zu entwickeln.
Anpassungen am Lehrplan nimmt der Bildungsrat beinahe jährlich vor. Müsste
dabei jedes Mal das Parlament und im Referendumsfall auch das Volk
mitentscheiden, wäre dies kaum praktikabel.
Zudem
hat es sich bewährt, dass Experten Lehrpläne entwickeln, ohne ständig auf
wechselnde politische Mehrheiten schielen zu müssen. Dies gilt gerade auch für
von Grund auf neu konzipierte Lehrpläne wie den Lehrplan 21: Möglichkeiten der
demokratischen Mitsprache gab es in der Vernehmlassungsphase zu Genüge.
Inzwischen stehen nicht nur die meisten Parteien, sondern auch alle Zürcher
Lehrerverbände hinter dem Lehrplan 21, wenn auch teilweise mit Vorbehalten zum
Tempo seiner Einführung. Dieser breite Konsens ist Resultat eines jahrelangen
demokratischen Prozesses. Die demokratisch eingebundenen Experten haben gute
Arbeit geleistet. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass das Parlament oder das
Stimmvolk dies besser könnten. Eher wäre zu befürchten, dass Lerninhalte bei
einer Annahme der Initiative künftig vermehrt von parteipolitischem Hickhack
geprägt würden.
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