7. Dezember 2017

Illusorische Versprechen im Fremdsprachen-Unterricht führen zu Lehrmittel-Überarbeitung

Fünf Jahre nach der Einführung des Französischunterrichts in den dritten Klassen des Baselbiets ist die Ernüchterung total: Die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Die Gründe dafür sind auch in der Didaktik der Lehrmittel zu suchen: «Mille feuilles» gilt als Flop. Jetzt handeln die Regierungen der am Frühfranzösisch-Projekt Passepartout beteiligten Kantone der West- und Nordwestschweiz. «Mille feuilles» wird für die fünfte und sechste Klasse überarbeitet, wie dies aus einer Mitteilung der Bildungsdirektion hervorgeht. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Lehrmittel für die übrigen Stufen folgen werden.
«Es werden Brücken gebaut zwischen Französisch, Englisch, Deutsch und den Herkunftssprachen der Kinder», hiess es erwartungsvoll im Elternbrief des damaligen Bildungsdirektors Urs Wüthrich im Frühjahr 2012 zur neuen «Didaktik der Mehrsprachigkeit», die vor der Einführung stand. Den Eltern wurde angekündigt, ihre Kinder würden schon bald «ohne Hemmungen sprechen und schreiben». Und: «Die zu Beginn gemachten Fehler beeinträchtigen das spätere Erlernen der richtigen Form in keiner Weise.»
Frühfranzösisch-Flop wird korrigiert, Basler Zeitung, 6.12. von Thomas Dähler


Kantone handeln
Das meiste dieser und weiterer Versprechungen erwies sich unterdessen als Illusion. Entsprechend handeln jetzt die Passepartout-Kantone. Es braucht einen Grundwortschatz, mehr Grammatik, alltagstaugliche Texte und auch einen neuen Umgang mit Fehlern, wenn Frühfranzösisch künftig erfolgreicher gelernt werden soll, als dies die Versuchskaninchen-Generation vermochte. Bereits heute unterrichten die Lehrkräfte mit vielen Ergänzungen und alternativem Lernmaterial, um die festgestellten Defizite zu beheben. Im jetzt beschlossenen neuen «Mille feuilles» dürfte entsprechend von der ursprünglichen Lernideologie nicht mehr viel übrig bleiben.

Frühfranzösisch wurde im Baselbiet im Schuljahr 2012/13 eingeführt. In den übrigen Passepartout-Kantonen war dies schon im Schuljahr 2011/12 der Fall. 2018 wird der erste Jahrgang die Volksschule verlassen. Die festgestellten Sprachkenntnisse und die durchgeführten Tests lassen nicht auf gute Erfahrungen schliessen. Das ist längst bekannt. Ein Zwischenbericht der offiziellen Evaluation durch das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg ist auf Juni 2018 angekündigt. Doch zuwarten wollten die zuständigen Bildungsbehörden nicht: Die beteiligten Kantone sind übereingekommen, die Überarbeitung bereits beim Schulverlag plus in Auftrag zu geben. Die Erscheinungstermine sollen im ersten Halbjahr 2018 kommuniziert werden können.

Bereits im Februar 2018 soll zudem ein ergänzendes Lehrmittel mit Sprechsituationen im Alltag erscheinen. «On bavarde?» soll mithelfen, die festgestellten Sprechdefizite zu beheben und Situationen im Alltag zu üben. Den Kantonen werde «On bavarde?» zu einem vergünstigten Preis angeboten, heisst es in der Mitteilung der Baselbieter Bildungsdirektion.

Volksinitiative hängig
Auch aus dem Kanton Baselland kam Druck, die unbefriedigende Situation zu beheben. Mit dazu beigetragen haben dürfte eine Initiative des Komitees Starke Schule Baselland, mit der ein Ausstieg aus dem Passepartout-Projekt gefordert wird. «Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt» wurde im April 2016 eingereicht und dürfte dazu beigetragen haben, den jetzt eingeleiteten Rettungsversuch für das Projekt Passepartout zu starten. Der Stellenwert der Frühfremdsprachen ist grundsätzlich umstritten; das ungenügende Lehrmittel dürfte die unbefriedigende Situation jedoch zusätzlich verschärft haben.

Noch ist offen, wann die Initiative zur Abstimmung gelangt. Die Regierung beantragt dem Landrat die Nein-Parole – in der Hoffnung, die beschlossene Überarbeitung von «Mille feuilles» entspannt die Situation.


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