Schulbesuche sind immer wieder lehrreich und erweitern den Horizont. Die
Erfahrungen und Überraschungen beschränken sich keineswegs auf das schulische
Kerngeschäft. Beim letzten Mal, kurz vor den Sommerferien, beobachtete ich mit
wachsendem Interesse einige Knaben, die sich im Französischunterricht
hochkonzentriert mit einem kleinen Spielzeug beschäftigten. Sie balancierten
das unbekannte Wesen, eine Mischung aus Propeller und Ninja-Wurfstern, auf dem
Finger, auf dem Kopf und sogar auf der Nase. Die Konjugation der Verben être
und avoir und das Sprachbad im Lehrmittel Milles Feuilles gerieten dabei völlig
in den Hintergrund.
Bereits gibt es Nachfolger des Fidget Spinners. Bild: Keystone
Hilfe! Die Spinner sind im Anmarsch. Basler Zeitung, 3.8. von Roland Stark
|
Zufälligerweise las ich noch am gleichen Tag in der Zeitung einen
Artikel, der sich ausführlich mit dieser Neuerscheinung auf dem Spielzeugmarkt
auseinandersetzte. Fidget Spinner heissen die Dinger, mit einem Kugellager und
meist drei Flügeln. Einmal angestossen, bewegen sie sich minutenlang. Wie alles
Gute und Nützliche stammt auch dieser modische Artikel ursprünglich aus den
USA.
Hilft scheints gegen Autismus
Weiter lernte ich, dass sich der Spinner nicht nur als Spielzeug
vermarkten lässt. Er wirkt auch gegen Stress, hilft bei Angstzuständen, bei
Autismus und sogar bei der Aufmerksamkeitsstörung ADHS und fördert die
Konzentration. Davon hatte ich mich ja bereits in der erwähnten
Französischstunde überzeugen können.
In amerikanischen und britischen Schulen macht sich neben den
Drehspielzeugen bereits ein anderes Fidget-Gerät bereit: der Fidget Cube, ein
Würfel, dem seine Anhänger eine ähnlich segensreiche Wirkung wie dem Spinner
nachsagen. Beim nächsten Schulbesuch im Herbst dürfte er auch bei uns schon im
Einsatz sein.
Eltern und Lehrer wissen aus Erfahrung: Die Produktion von Schwachsinn
gehört weltweit zur DNA der Spielzeugindustrie. Jedes Jahr, so regelmässig wie
Ostern und Weihnachten, bringen sie einen neuen, innovativen Lockstoff für den
Nachwuchs auf den Markt.
Von Slime bis Tamagotchi und Furby
In den 1970er-Jahren gab es Slime, einen weichen Glibber, der sich durch
die Finger gleiten liess und dann mit einem Pups-Geräusch wieder in der Tonne
verschwand. Heute können Kinder auf Youtube lernen, wie man das eklige Zeug
selber herstellt, auf T-Shirts, Sofas oder Kuscheltieren verteilt, Badezimmer
und Küche versaut. Abgelöst wurden die schleimigen Grüsel durch die Monchichi.
Seidenweiches Fell, knubbelige Füsschen, Stupsnäschen, rosa Lätzchen, strahlend
blaue Augen. Perfekte Kuscheltiere. Machten weder eine Sauerei noch störenden
Krach.
In den Tiefen der Kleinramsch-Schubladen vegetieren auch noch
Tamagotchi, virtuelle Küken, um die man sich kümmern musste wie ein Haustier.
Echte Bedürfnisse haben sie auch. Schlafen, Essen, Trinken. Der Clou: Mit einem
Reset-Knopf konnte das an Vernachlässigung verstorbene Plastikei wieder belebt
werden.
Dann erschien Furby, ein Plüschvieh mit grossen Ohren, Kulleraugen und
Vogelschnabel. Ausgerüstet mit einer breiten Palette an nervenden Geräuschen
und einer eigenen Sprache: Furbisch. Aber leider ohne Ausschaltknopf. Der
ultimative Schrecken des Haushaltes.
Der hirnlose Schnicknack der letzten Jahrzehnte hat einen gemeinsamen
Nenner: unsinnig, überflüssig und schnelllebig. Und zu Beginn der Modewelle den
immer gleichen Satz der Kinder: «Das will ich auch. Alle anderen haben es
schon!» Es lebe die freie Marktwirtschaft.
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