4. Mai 2017

Unrealistische Vorstellungen vom frühen Sprachenlernen

Würden Sie gerne einen mit zwanzig Schülern besetzten Sprachkurs besuchen, bei dem weit mehr als die Hälfte der Teilnehmenden überfordert ist? Wohl kaum. Aber genau das ist die Situation im Frühfranzösisch an der Primarschule. All die gut gemeinten Ratschläge, wie man Fremdsprachen besser vermitteln könnte, wirken ziemlich abgehoben, wenn man die Rahmenbedingungen in der Primarschule kennt. Da gibt es weder teilweisen Halbklassenunterricht für intensive Sprechschulung noch die Möglichkeit, die völlig unterschiedlich begabten Schüler in Niveaus zu unterrichten.
Unrealistische Vorstellungen vom frühen Sprachenlernen, 4.5. von Hanspeter Amstutz


Wie abgehoben die Vorstellungen über den Lernerfolg bei den frühen Fremdsprachen sind, zeigen die realen Resultate. Mehr als 60 Prozent der Sechstklässler erreichen die elementaren Bildungsziele im Frühfranzösisch nicht. In keinem andern Fach könnte man es sich leisten, mit so einer „Erfolgsquote“ den Unterricht weiterzuführen. Beim Frühenglisch wiederum muss man sich fragen, ob es sich lohnt, mehr als doppelt so viele Stunden einzusetzen, wenn die Spätlerner mit weniger Aufwand den Rückstand auf der Sekundarschule aufholen können.


Lernzeit ist kostbar, denn die Lektionentafel der Primarschule ist begrenzt. Unrealistische Vorstellungen über das frühe Sprachenlernen richten übers Ganze gesehen in unserer Schule einen beträchtlichen Schaden an. Das aktuelle Sprachenkonzept ist gescheitert, da es zu viele Verlierer hinterlässt und nicht geeignet ist, bei der Mehrheit unserer Jugendlichen die Freude an drei Sprachen nachhaltig zu fördern. Darum braucht es jetzt den Mut, den Tatsachen ins Auge zu schauen und sich für einen besser gestaffelten Einstieg in die Fremdsprachen zu entscheiden.

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