Im Mai kommt
es zu einer wegweisenden Abstimmung im Schweizer Sprachenstreit. Die
Stimmberechtigten im Kanton Zürich befinden über die Initiative, die eine
Beschränkung auf eine Fremdsprache an der Primarschule fordert. In weiteren
Kantonen sind ähnliche Volksbegehren pendent. Sagt Zürich Ja, wird der
Sprachenkompromiss der Erziehungsdirektorenkonferenz aus den Angeln gehoben,
der besagt, dass alle Primarschüler in der Schweiz eine zweite Landessprache
und Englisch lernen.
Die Studie stellt den Aufwand der Primarfremdsprachen infrage. Bild: Christian Beutler
Frühenglisch bringt zu wenig Vorteile, NZZaS, 5.3. von René Donzé
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Just
in dieser Zeit hat nun der Kanton Aargau eine brisante Studie veröffentlicht.
Durchgeführt wurde sie von Nicole Bayer und Urs Moser vom Institut für
Bildungsevaluation der Universität Zürich. Sie verglichen die Kompetenzen der
Aargauer Schüler, die ab der dritten Klasse Englisch lernen, mit den
Fähigkeiten der Solothurner, die zum Zeitpunkt der Studie nur drei Jahre
Englisch auf der Oberstufe hatten. Der Vergleich fand am Ende der
obligatorischen Schulzeit statt.
Geringer
Vorsprung
Im
Ergebnis schnitten die Aargauer zwar einiges besser ab: So erreichten dort viel
mehr Jugendliche ein sehr hohes Niveau. Und fast alle erfüllten die Vorgaben
des Lehrplans. Im Kanton Solothurn hingegen kamen doppelt so viele Schüler
nicht über das tiefsten Niveau im Lesen (34 Prozent) und Schreiben (16 Prozent)
heraus. Darum wertet das Aargauer Bildungsdepartement die Einführung des
Frühenglisch als Erfolg.
Dennoch
ist die Studie Wasser auf die Mühlen all jener, die die Wirksamkeit des frühen
Fremdsprachenunterrichts bezweifeln. Bayer und Moser schreiben: «Gemessen an
der total aufgewendeten Unterrichtszeit, ist das Verhältnis von Aufwand und
Ertrag bei einem frühen Beginn mit dem Englischunterricht eher ungünstig.» So
betrug der Vorsprung der Aargauer auf die Solothurner am Ende der Schulzeit
lediglich ein halbes bis ein ganzes Schuljahr. Und das, obwohl die Aargauer
sieben Jahre und die Solothurner bloss drei Jahre Englischunterricht hatten.
Der Aufwand war also mehr als doppelt so gross.
Die
Studie bestätigt damit auch die Befunde der vielbeachteten Untersuchung der
Linguistin Simone Pfenninger. Sie stellte fest, dass Gymnasiasten, die im
Englisch bei null begannen, ihre Kollegen, die Frühenglisch hatten, schnell
einholten. «Man könnte beim Zweitsprachenerwerb dasselbe Ziel auf der Oberstufe
mit kleinerem Aufwand erreichen», sagt Pfenninger. Die Intensität des
Unterrichts sei wichtiger als das Einstiegsalter oder die Anzahl Jahre des
Unterrichts.
Ähnliches
sieht auch Urs Moser. «Man würde in der Tat relativ wenig verlieren, wenn man
den Englischunterricht in die Oberstufe verschieben würde», sagt er. Es sei
allerdings auch logisch, dass ältere Schüler kognitiv weiter seien und darum
schneller lernten. Dennoch käme es wohl niemandem in den Sinn, erst in der Oberstufe
mit Mathematikunterricht zu beginnen.
Lieber
mehr Deutsch
Lilo
Lätzsch, Präsidentin des Zürcher Lehrerverbands und Mitglied des
Initiativkomitees, freut sich über die Ergebnisse der Studie. Bemerkenswert sei
auch der festgestellte klare Zusammenhang zwischen Deutschkompetenzen und
Fortschritten im Englisch. Man konzentriere sich also besser auf Deutsch und
eine Fremdsprache in der Primarschule und beginne mit der zweiten erst später.
«Die Schüler holen den Rückstand in no time auf.» Sie persönlich würde
Französisch den Vorzug geben, die Motivation fürs Englisch sei ohnehin gross.
Die
Studie kommt für die Erziehungsdirektorenkonferenz ungelegen – zumal die
Forscher auch schreiben, dass das von den Erziehungsdirektoren erklärte Ziel,
in beiden Fremdsprachen bis Ende Schulzeit dasselbe Niveau zu erreichen, kaum
erreichbar sei. Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner, Präsidentin der
Konferenz, möchte sich nicht zur Studie äussern, da sie diese noch nicht im
Detail kenne. Generell aber lohne sich der frühe Fremdsprachenunterricht, sagt
sie. Die Kinder lernten anders, ganzheitlich und unbewusst. Zudem entwickelten
sie so leichter ein Verständnis für andere Kulturen.
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