In der Stadt Bern gibt es immer mehr
private Kindergärten mit Ganztagesbetreuung, bei öffentlichen gibt es das
Angebot aber nicht. Die SP fordert nun gleich lange Spiesse.
Streit um Ganztageskindergärten, Bund, 28.1. von Bernhard Ott
Im Kanton Bern besuchen bereits Vierjährige den Kindergarten. Für ihre
berufstätigen Eltern ist das Erreichen des Kindergartenalters eine
Herausforderung: Kinder in diesem Alter schaffen den Schulweg noch kaum
alleine. Und mittags muss sie jemand in die Kindertagesstätte (Kita) zum
Zmittag bringen und auch wieder abholen. Nicht jede Kita hat einen Kindergarten
gleich nebenan. Und nicht alle Kitas bieten einen Bring- und Holservice an. Da
kommt die «Kita mit integriertem Kindergarten» des privaten Anbieters Leolea
gerade recht: «Der direkte Zugang zum Kindergarten schafft optimale
Ganztagesstrukturen für Kinder», heisst es auf der Webpage von Leolea. Die
Eltern können die Kinder ab sieben Uhr früh bringen und bis 18.30 wieder
abholen. Sie haben gar die Wahl, das Kindergartenpensum auf drei ganze oder
sechs halbe Tage zu verteilen. Die SP Stadt Bern verfolgt die Zunahme solcher
Angebote mit Skepsis.
«Tatsachen geschaffen»
Der Kindergarten gehöre zur obligatorischen Schulzeit, sagt Stadtrat
Peter Marbet. Die privaten Ganztageskindergärten stünden somit in Konkurrenz
zur öffentlichen Volksschule. Diese Entwicklung untergrabe die Bemühungen von
Volksschule und Kindergarten, ein Ort der Integration für alle Kinder zu
bilden. «Bei der Einführung des Kita-Gutschein-Systems hat man das zu wenig
bedacht», sagt Marbet. Die kantonale Erziehungsdirektion habe solche Angebote
in den letzten Jahren «grosszügig» bewilligt. So hätten sich die privaten Kitas
einen «Marktvorteil» erarbeitet, auf den die öffentlichen Kitas und
Kindergärten aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nur eingeschränkt
reagieren könnten, sagt Marbet.
Der Direktor einer höheren Fachhochschule möchte diese Entwicklung aber
nicht einfach hinnehmen. Daher fordern er und seine Kollegin Nadja
Kehrli-Feldmann den Gemeinderat in einer Motion dazu auf, ein Konzept zur
Schaffung öffentlicher Ganztageskindergärten auszuarbeiten und Pilotprojekte zu
lancieren. «Die privaten Kitas haben Tatsachen geschaffen», sagt Marbet. Die
Stadt müsse nun darauf reagieren.
Bern als Hochburg für Private
Private Ganztageskindergärten sind in der Tat ein neueres Phänomen. Von
einem Boom zu sprechen, ist aber wohl vermessen. Seit 2013 hat die
Erziehungsdirektion laut eigenen Angaben acht private Kindergärten in
Kindertagesstätten bewilligt – sieben davon in der Stadt Bern. Die Kinder
können dort zwar auch von Betreuungspersonen unterrichtet werden. Gemäss
Volksschulgesetz müssen diese aber von Personen angeleitet werden, die über
eine pädagogische Ausbildung verfügen. «Wir bieten Ganztageskindergärten nicht
aus ökonomischen Gründen an», sagt Marcel Brülhart, Präsident des Vereins
Leolea. Das Angebot sei auf Wunsch von Eltern eingeführt worden und entspreche
einem Bedürfnis. Sobald ein Kind ins Kindergartenalter komme, gebe es keine
ganztägige Betreuung mehr. «Leolea wollte für dieses Problem eine Lösung
anbieten», sagt Brülhart. Dabei handle es sich nicht um ein Angebot für
Wohlhabende.
FDP-Stadträtin Claudine Esseiva sieht das ähnlich: «Das
Kindergartenalter ist eine betreuungstechnische Herausforderung für die
Eltern», sagt die Mutter eines dreijährigen Sohnes. Zum Glück gebe es in der
Stadt Bern Unternehmen wie Leolea, die das erkannt hätten. Dabei sei das
Bedürfnis nach Ganztageskindergärten ja nicht neu. «Der linke Gemeinderat
dieser Stadt befasst sich aber lieber mit Prestigeprojekten wie der Velobrücke.»
Esseiva begrüsst die Stossrichtung der SP-Motion. Deren Begründung lehnt sie
jedoch ab. «Die Unterscheidung zwischen guten öffentlichen und bösen privaten
Kitas ist hanebüchen», sagt Esseiva.
Stadt ist nicht ganz untätig
Die Stadtberner Sozialdirektion ist in Sachen Ganztageskindergarten
nicht so passiv, wie es scheint: «Wir prüfen aktuell die Integration eines
Kindergartens in eine Kita», sagt Schulamtsleiterin Irène Hänsenberger auf
Anfrage. Sie weist zudem darauf hin, dass Kindergarten-Kinder auch im
Pilotprojekt Ganztagesschule einbezogen sein werden.
Auf die private Konkurrenz reagiert die Sozialdirektion grundsätzlich
gelassen. Die Durchmischung der öffentlichen Kindergärten sei durch die
privaten Anbieter nicht gefährdet, da verhältnismässig wenig Kita-Kinder einen
Kindergarten besuchten. Zudem seien die Ganztageskindergärten in den privaten
Kitas zu den Betreuungsgutscheinen zugelassen und damit gebührenfrei.
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