19. Dezember 2016

Pulver findet Lohnunterschiede zwischen Primar und Sek zu gross

In der Primarschule verdienen Lehrpersonen deutlich weniger als auf der Sekundarstufe. Ausgerechnet ihr Arbeitgeber, Erziehungsdirektor Bernhard Pulver, hält das für «nicht mehr gerechtfertigt».
Pulver lanciert die Lohndebatte gleich selber, Bund, 19.12. von Reto Wissmann

In der Regel sind ja Gewerkschaften oder Berufsverbände für Lohnforderungen zuständig. In diesem Fall aber ist es der oberste Chef, der die Lohndebatte lanciert. An einer Jubiläumsveranstaltung der privaten Berner Lehrerbildungsinstitution NMS hat Bernhard Pulver(Grüne) kürzlich mehr Lohn für die Primarlehrpersonen gefordert. «Der grosse Unterschied zwischen Primar- und Sekundarlehrpersonen ist aus meiner Sicht nicht mehr gerechtfertigt», sagte der Erziehungsdirektor.

Kindergärtner und Primarlehrerinnen sind heute im Kanton Bern vier Gehaltsklassen tiefer eingereiht und verdienen zwischen 1000 und 1600 Franken pro Monat weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen auf der Sekundarstufe. Die Einstufung stammt aus einer Zeit, als nur Sekundarlehrpersonen an Hochschulen ausgebildet wurden und die Bedeutung der unteren Stufen für den Bildungserfolg der Kinder noch weniger bekannt war.
Unterdessen kann allerdings nur noch ein kleiner Teil des Gehaltsunterschieds mit der längeren Master-Ausbildung der Sekundarlehrpersonen begründet werden. Arbeitszeiten und Berufsbelastung sind vergleichbar, was verschiedene Studien gezeigt haben.

Bericht kritisiert Unterschiede
Demnächst legt die Erziehungsdirektion eine ausführliche Untersuchung zu den Anstellungsbedingungen der Lehrkräfte im interkantonalen Vergleich vor. Auch darin wird der Lohnunterschied als «zu hoch und nicht mehr vollumfänglich zeitgemäss» bezeichnet. Gerade auf den unteren Stufen seien die sozialen und fachlichen Anforderungen gestiegen.
Ausserdem seien diese Lehrkräftegruppen «wichtige Ressourcenträger zur Umsetzung diverser schulischer Herausforderungen». Will heissen: Es sind die Primarlehrpersonen, die grosse Reformen wie die Integration oder das Frühfranzösisch tragen müssen.

Im Bericht benennt der Regierungsrat aber noch einen weiteren heiklen Aspekt: die «geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung». Im Kindergarten unterrichten rund 99 Prozent Frauen, auf der Primarstufe über 80 Prozent. Viele Primarlehrerinnen sind überzeugt, dass dies ein Grund für ihre unvorteilhafte Einstufung ist. Durchaus möglich, dass auch ein Gericht zum Schluss käme, die grossen Gehaltsunterschiede seien geschlechtsbedingt und damit diskriminierend. Eine vergleichbare Klage aus dem Kanton Aargau ist derzeit beim Bundesgericht hängig.

Trotz klarer Ausgangslage hält der Berufsverband Bildung Bern den Ball flach. «Der Lohnunterschied ist sicher nicht gerechtfertigt», sagt Präsident Martin Gatti. Aktionen, dies zu ändern, seien allerdings noch keine geplant. Der Verband muss Prioritäten setzen. Mit dem Entscheid für einen verlässlicheren Lohnanstieg hat sich der Grosse Rat in den letzten Jahren kulant gezeigt, dies will man nicht gefährden. Spätestens 2018 wolle man aber etwas unternehmen, so Gatti. «Und dann haben die Primarlehrpersonen auf jeden Fall Priorität.»

Kaum Druck von der Basis
Der Druck von unten scheint allerdings bescheiden. Nach all den Sparpaketen ist man schon froh, wenn nicht weitere Abbaumassnahmen über die Schule hereinbrechen. «Ich glaube nicht, dass die Betroffenen derzeit aufstehen und für mehr Lohn kämpfen werden», sagt Erika Reichenbach, Präsidentin der Fraktion Eingangsstufe bei Bildung Bern.
Ohne Druck der Basis wird aber wahrscheinlich nichts passieren. «Wenn sich etwas bewegen soll, müsste eine politische Debatte stattfinden, etwa im Parlament oder durch eine Volksinitiative», sagt Bernhard Pulver. Der Regierungsrat nehme das Thema in seinem Bericht zum Lohnvergleich zwar auf.

Zu viel Hoffnung wolle er damit aber nicht schüren. Ein solcher Prozess könne Jahre dauern und die Erhöhung um nur eine Gehaltsklasse würde den Kanton rund 20 Millionen Franken pro Jahr kosten. Prioritär sei derzeit die Sicherstellung des kontinuierlichen Gehaltsaufstiegs.

Master auch für Primarlehrer?
Mit der Lohn- geht die auch die Ausbildungsfrage einher. Seit Jahren fordern die Lehrerverbände, dass Kindergärtnerinnen und Primarlehrer ebenfalls eine Masterausbildung absolvieren sollen. «Die dreijährige Ausbildung auf Bachelorstufe ist extrem dicht, und es kommen immer noch neue Ansprüche hinzu», sagt Daniel Steiner, Leiter des Instituts Vorschulstufe und Primarstufe der Pädagogischen Hochschule Bern.
Er beurteilt eine Ausbildung auf Masterniveau als Zukunftsmodell, kann sich aber auch ein freiwilliges oder berufsbegleitendes Masterprogramm vorstellen. Steiner ist Mitglied einer Arbeitsgruppe von Swissuniversities, die die Frage des Masterabschlusses für alle Studiengänge diskutiert und Vorschläge erarbeitet.

Pulver zurückhaltend
Während praktisch unbestritten ist, dass Kindergärtner und Primarlehrerinnen besser entlöhnt werden sollten, spaltet das Thema Masterausbildung selbst die Berufsverbände. «Ich bin mir nicht sicher, ob das der richtige Weg ist», sagt Erika Reichenbach. Nicht allen, die sich für den Lehrerberuf eigneten, entspreche ein akademisches Studium. Auch Pulver will sich in diesem Punkt nicht engagieren. Der Erziehungsdirektor sagt: «Die Verlängerung der Studiendauer könnte abschreckend wirken und so zu einem grösseren Lehrermangel führen.»


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