Für Erziehungswissenschaftler Albert
Düggeli ist die Benotung von Lernverhalten sehr komplex. Er warnt vor
Machtmissbrauch.
Ab in die Ecke: Disziplinierung im Jahr 1955. Bild: Getty Images
"Stören sagt nichts über die Leistung", Tages Anzeiger, 20.12. von Felix Straumann
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Im Kanton Zürich soll
für den Übertritt von der Sek ins Kurzzeitgymnasium das Lern- und
Arbeitsverhalten als Note zählen. Eine gute Idee?
Ich habe gewisse Vorbehalte. Grundsätzlich finde ich Faktoren wie Lernverhalten und Motivation grundlegende und zentrale Aspekte. Dass dies honoriert und entsprechend bewertet werden soll, finde ich tendenziell positiv. Doch gleichzeitig ist es auch herausfordernd, dies gut zu machen.
Ich habe gewisse Vorbehalte. Grundsätzlich finde ich Faktoren wie Lernverhalten und Motivation grundlegende und zentrale Aspekte. Dass dies honoriert und entsprechend bewertet werden soll, finde ich tendenziell positiv. Doch gleichzeitig ist es auch herausfordernd, dies gut zu machen.
Besteht nicht die Gefahr
von Willkür durch die Lehrperson?
Das lässt sich nicht ausschliessen, aber das kann bei anderen Bewertungsformen in der Schule auch so sein. Verhalten und Motivation sind etwas sehr Komplexes. Viele Lehrerinnen und Lehrer wissen das und werden behutsam damit umgehen. Aber die neue Benotung lässt sich als Machtinstrument und damit etwa zur Disziplinierung missbrauchen. Das wäre natürlich hochproblematisch.
Das lässt sich nicht ausschliessen, aber das kann bei anderen Bewertungsformen in der Schule auch so sein. Verhalten und Motivation sind etwas sehr Komplexes. Viele Lehrerinnen und Lehrer wissen das und werden behutsam damit umgehen. Aber die neue Benotung lässt sich als Machtinstrument und damit etwa zur Disziplinierung missbrauchen. Das wäre natürlich hochproblematisch.
In Zürich zählt das
Verhalten im Rahmen einer Vornote nur rund acht Prozent.
Das klingt nach wenig. Trotzdem gilt es zu bedenken, dass Lehrpersonen mit den Leistungsaspekten etwas bewerten, in das sie selbst involviert sind. So müssten vielleicht auch die Umstände des Unterrichts gut reflektiert werden. Nicht dass ein kognitiv wenig aktivierender Unterricht zur Einschätzung führt, die Schüler würden sich aus mangelnder Motivation nicht engagieren.
Das klingt nach wenig. Trotzdem gilt es zu bedenken, dass Lehrpersonen mit den Leistungsaspekten etwas bewerten, in das sie selbst involviert sind. So müssten vielleicht auch die Umstände des Unterrichts gut reflektiert werden. Nicht dass ein kognitiv wenig aktivierender Unterricht zur Einschätzung führt, die Schüler würden sich aus mangelnder Motivation nicht engagieren.
Auch wenn es nicht
unbedingt so vorgesehen ist, könnte bei der Benotung neben der
Leistungsbereitschaft auch das Verhalten in der Gruppe oder gegenüber dem
Lehrer einfliessen. Kommen am Ende nur noch angepasste Kinder ins Gymi?
Auch dies kann nicht ausgeschlossen werden. Allerdings besteht dieses Risiko bereits bei den bisherigen Bewertungsverfahren.
Auch dies kann nicht ausgeschlossen werden. Allerdings besteht dieses Risiko bereits bei den bisherigen Bewertungsverfahren.
Es wird schon lange
diskutiert, dass die Schule heute Mädchen bevorteilt, auf Kosten der Buben. Verstärkt
die Verhaltensnote dieses Ungleichgewicht?
Hier besteht eine gewisse Unsicherheit, erst recht, wenn auch disziplinarische Kriterien in die Bewertung einfliessen. Wenn die Kinder in der Pause oder im Unterricht mal Blödsinn machen oder stören, hat dies nichts mit dem Leistungsverhalten zu tun. Umgekehrt hat ein Kind, das sozial nicht auffällt, deswegen nicht ein besseres Leistungsverhalten. Ob das alles aber tatsächlich mit dem Geschlecht der Kinder zusammenhängt, müsste man evaluieren. In unseren eher kleinen Studien haben wir beispielsweise keine grossen Einflüsse bezüglich Geschlecht gefunden.
Hier besteht eine gewisse Unsicherheit, erst recht, wenn auch disziplinarische Kriterien in die Bewertung einfliessen. Wenn die Kinder in der Pause oder im Unterricht mal Blödsinn machen oder stören, hat dies nichts mit dem Leistungsverhalten zu tun. Umgekehrt hat ein Kind, das sozial nicht auffällt, deswegen nicht ein besseres Leistungsverhalten. Ob das alles aber tatsächlich mit dem Geschlecht der Kinder zusammenhängt, müsste man evaluieren. In unseren eher kleinen Studien haben wir beispielsweise keine grossen Einflüsse bezüglich Geschlecht gefunden.
Ist es ein Trend, dass
neben fachlichen Bewertungen nun neu Verhalten und Motivation einbezogen
werden?
Das Anliegen, soziale oder lernspezifische Aspekte zusätzlich zu den Noten zu bewerten, gibt es schon lange. Zu meiner Zeit gab es die Einträge «Fleiss» und «Betragen», die dann etwa «ungenügend» oder «gut» sein konnten. Solche Bewertungen scheinen nach wie vor wichtig zu sein; auch hinsichtlich der Planung von beruflichen und schulischen Bildungsverläufen.
Das Anliegen, soziale oder lernspezifische Aspekte zusätzlich zu den Noten zu bewerten, gibt es schon lange. Zu meiner Zeit gab es die Einträge «Fleiss» und «Betragen», die dann etwa «ungenügend» oder «gut» sein konnten. Solche Bewertungen scheinen nach wie vor wichtig zu sein; auch hinsichtlich der Planung von beruflichen und schulischen Bildungsverläufen.
Bis jetzt war für
Gymischüler das Verhalten kaum ein Thema. Eigentlich konnte man bis Ende
Studium durchschlüpfen. Vielleicht ist es gut, wenn jetzt früher angesetzt
wird.
Bei der Lehre waren Dinge wie Verlässlichkeit, Arbeitsmotivation, Pünktlichkeit, Genauigkeit immer schon wichtig. Als Automechaniker oder im Spital sind solche Sekundärtugenden bei der Arbeitsleistung direkt sichtbar und deshalb hochbedeutsam. Wenn nun das Lernverhalten auch in die Bewertung beim Übertritt ins Gymnasium einfliesst, ist es wichtig, dass dies auch später Thema bleibt. Es muss den Schülern geholfen werden, sich in dem Bereich weiterzuentwickeln. Ich befürchte allerdings, dass die neue Bewertung einfach ein zusätzliches Übertrittskriterium ist, das man nachher vergisst.
Bei der Lehre waren Dinge wie Verlässlichkeit, Arbeitsmotivation, Pünktlichkeit, Genauigkeit immer schon wichtig. Als Automechaniker oder im Spital sind solche Sekundärtugenden bei der Arbeitsleistung direkt sichtbar und deshalb hochbedeutsam. Wenn nun das Lernverhalten auch in die Bewertung beim Übertritt ins Gymnasium einfliesst, ist es wichtig, dass dies auch später Thema bleibt. Es muss den Schülern geholfen werden, sich in dem Bereich weiterzuentwickeln. Ich befürchte allerdings, dass die neue Bewertung einfach ein zusätzliches Übertrittskriterium ist, das man nachher vergisst.
Albert
Düggeli ist Erziehungswissenschaftler an der Pädagogischen Hochschule, Institut
Sekundarstufe I und II, der Fachhochschule Nordwestschweiz.
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