17. Juni 2016

So-tun-als-ob

Die grundsätzliche Frage lautet: Soll eine Fremdsprache – sei es nun Englisch oder Französisch – aus politischen Prestigegründen im Lehrplan stehen, oder sollen die Schülerinnen und Schüler tatsächlich etwas lernen? Will man das Letztere, so muss man pädagogisch-sprachdidaktische Erkenntnisse berücksichtigen. Diese zeigen völlig eindeutig, dass weniger die Altersstufe, in welcher mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen wird, von Bedeutung ist als vielmehr die zeitliche Intensität. Konkret heisst das, dass gerade am Anfang dieses Unterrichts zwei Lektionen pro Woche zu keinem Erfolg führen, ganz gleich, welche Methoden verwendet werden.
Fremdsprachen und Schulunterricht, NZZ, 17.6. Leserbrief von Helmut Meyer

Das gilt besonders dann, wenn es sich um eine Sprache handelt, mit welcher der Schüler ausserhalb des Unterrichts kaum konfrontiert wird. Das lässt sich auch für den pädagogischen Laien leicht nachvollziehen: Zwischen diesen Lektionen liegen mehrere Tage, in welchen das meiste wieder vergessen wird. Rechnet man dann noch die zahlreichen Stundenausfälle durch alle möglichen Sonderveranstaltungen und unterrichtsfreie Tage hinzu, so bleibt ein solcher Fremdsprachenunterricht ein Aschenbrödel, das leider nicht durch einen fremdsprachigen Prinzen erlöst wird. Erfolgreicher Fremdsprachenunterricht muss mit vier Lektionen pro Woche beginnen und dann in eine Immersionsphase ausmünden, in welcher diese Sprache auch in «Sachfächern» angewendet wird. Alles andere ist «So-Tun-als-ob» und Kosmetik für die Bildungspolitiker.

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