29. Mai 2016

Sind Schulkommissionen obsolet geworden?

Der Schulleiter handelte und entschied in eigener Kompetenz. Die Schulkommission wusste lange von nichts: Die Untersuchung zur Abwart-Affäre im Berner Schulhaus Sonnenhof hat ein grosses Wissens- und Machtgefälle zwischen Schulleiter und Schulkommission offenbart.
Erwin Sommer: Schulkommission als Bindeglied zwischen Schule und Bevölkerung, Bild: zvg
Grossräte stellen Schulkommissionen infrage, Bund, 27.5. von Bernhard Ott









Dabei müsste die Kommission den Schulleiter eigentlich beaufsichtigen. So hat es Wochen gedauert, bis der vom Abwart betriebene Raum mit Sex-Utensilien im Schulhaus geräumt wurde. Bis zum Arealverbot für den Abwart dauerte es drei Monate.

In seinem Bericht empfiehlt der Untersuchungsleiter, die Schulleiter in der Stadt Bern künftig direkt dem Schulamt zu unterstellen. Die Fraktionen im Stadtrat beurteilen einen derart weitgehenden Schritt zwar skeptisch.

Sie sprechen sich aber mehrheitlich für eine Verschlankung der Schulorganisation aus. Ähnliche Stimmen gibt es nun auch aus dem Grossen Rat.

«Grosser Kompetenzverlust»
«Die Schulkommissionen haben einen grossen Kompetenzverlust erlitten», sagt SP-Grossrat Roland Näf, Co-Leiter der Schule Seidenberg in Muri-Gümligen. Sie seien in einer «schwierigen Situation» und relativ weit weg vom Schulgeschehen.

Seit der letzten Revision des Volksschulgesetzes vor acht Jahren können die Schulleiter im Kanton Bern Lehrkräfte selber anstellen. Die Schulkommissionen sind im Wesentlichen nur noch für finanzielle Belange zuständig.

Näf kann die Empfehlung im Untersuchungsbericht zur Abwart-Affäre gut nachvollziehen. «Es wäre sinnvoll, wenn die Schulkommissionen näher bei der Verwaltung wären.»
In Muri-Gümligen gibt es eine Schulkommission. Sie habe «wenig Kompetenzen und wenig Sitzungen», sagt Näf. Die Kommission berate die Schulleitungen im Kontakt mit der Gemeinde, wenn es etwa um den Ausbau der schulischen IT-Infrastruktur oder um bauliche Fragen gehe.

«Wir könnten aber auch ohne Schulkommission auskommen», sagt Näf. Zweifel an der Rolle der Schulkommissionen gibt es auch auf bürgerlicher Seite. In den Schulkommissionen sässen meist die Eltern von Schulkindern.

Es handle sich um «Laiengremien mit Partikularinteressen», die nicht dazu geeignet seien, professionalisierte Schulleitungen zu beaufsichtigen, sagt FDP-Bildungspolitikerin Corinne Schmidhauser.

Die Schulleiter hätten heute mehr Freiheiten zur Wahrnehmung einer zunehmend unternehmerischen Aufgabe. Daher benötige es auch eine stärkere Aufsicht, wie sie etwa eine Gemeinde-Exekutive gewährleisten könne.

Schmidhauser spricht sich aber nicht für eine Abschaffung der Schulkommissionen aus. So hätten sie durchaus noch eine Funktion als «Sounding Board» der Bevölkerung in Schulfragen, sagt Schmidhauser.

Kanton will keine Änderung
Die Rolle der Schulkommissionen als Bindeglied zwischen Schule und Bevölkerung wird auch in der Erziehungsdirektion betont. «Wir brauchen starke Schulleitungen, aber auch starke Schulkommissionen», sagt Erwin Sommer, Leiter des Amtes für Kindergarten, Volksschule und Beratung. In Gemeinden ohne Schulkommissionen könnte das Interesse an der Schule zurückgehen.

Natürlich gebe es immer wieder Fälle, in denen es zu Spannungen zwischen Schulleitern und der Kommission komme. Dies zeigt jüngst auch der Fall Ipsach. «Im Allgemeinen funktioniert die Schulorganisation im Kanton Bern aber gut.»

Sommer warnt davor, aufgrund eines Einzelfalles wie der Abwart-Affäre das ganze System auf den Kopf zu stellen. «Solche Fälle sind auch bei professionellen Schulbehörden nicht ausgeschlossen», sagt Sommer.

In Köniz sind Halbprofis am Werk
Einen eigenen Weg geht die Gemeinde Köniz. Dort hatte noch vor ein paar Jahren jeder Schulstandort eine Kommission. Heute gibt es eine einzige Schulkommission für die ganze Gemeinde. Deren Mitglieder stammten nicht aus dem Bildungsbereich.

Sie verfügten aber meist über Erfahrung in Personalführung, sagt Bildungsvorsteher Thomas Brönnimann (GLP). Für die Kommissionsarbeit gebe es eine Basisentschädigung von 6000 Franken pro Jahr plus Sitzungsgeld.

Dafür müsse ein Arbeitspensum von zehn bis zwanzig Prozent bewältigt werden. Die Schulleitungen eines Kreises würden von je zwei Kommissionsmitgliedern beaufsichtigt. Die Kommission habe einen wichtigen Stellenwert – vergleichbar mit dem einer Geschäftsprüfungskommission, sagt Brönnimann.

«Ich möchte die Schule nicht in die Hand einer einzigen Person in einer Exekutive geben», sagt der Könizer Gemeinderat. 


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