Der Verband
Procap fordert, dass Kinder mit Behinderung einfacher zwischen Sonderschulen
und Regelklassen wechseln können.
Eltern sind verunsichert: Regelschule oder Sonderschule? Bild: Fotolia
Mit Behinderung in die Regelklasse, Thurgauer Zeitung, 27.5. von Larissa Flammer
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Kinder mit Behinderung oder besonderen Bedürfnissen sind im Alltag, vor
allem aber in der Schule auf Unterstützung angewiesen. Vor der Einschulung
stellt sich deshalb die Frage: Sonderschule oder Regelschule? Die Sonderschule
ist darauf ausgerichtet, den Kindern genau diese Unterstützung zu bieten –
vermehrt ist das aber auch in der Regelklasse möglich. Heilpädagogische
Förderung und Klassenassistenzen helfen dabei.
Gemäss dem Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen erfüllt die
Volksschule im Kanton den Bildungsauftrag, indem sie sowohl integrierende als
auch separierende Angebote vorsieht. Ob Sonderschule oder Regelschule für
Kinder mit Behinderung geeigneter ist, wird laut Margrit Honegger, pädagogische
Mitarbeiterin in der Abteilung Sonderpädagogik des Bildungsdepartements, oft
kontrovers diskutiert. Die Volksschule setze ihre Angebote nach dem Prinzip «so
viel Integration wie möglich, so viel Separation wie nötig» situationsgerecht
ein.
Wechsel
soll möglich sein
Für Markus Eberle, Geschäftsführer der Procap St. Gallen-Appenzell, ist
die Frage nach Sonderschule oder Regelschule ebenfalls nicht einfach zu
beantworten. «Beide Modelle sind wichtig», sagt er. Sein Ziel ist es, dass es
zwischen den beiden Möglichkeiten kein «Fallbeil» mehr gibt. Schüler sollen
nach einer gewissen Zeit in der Regelklasse in die Sonderschule oder umgekehrt
wechseln können. «Ein Kind mit Trisomie 21 sollte beispielsweise ein oder zwei
Jahre lang die Regelklasse besuchen können.» Der Grundsatz, dass ein Kind mit
Behinderung oder besonderen Bedürfnissen nach Möglichkeit in der Regelklasse
eingeschult wird, sei in der Ostschweiz noch sehr wenig verbreitet. «Heute
braucht es eine günstige Konstellation von beteiligten Entscheidungsträgern –
Eltern, Lehrpersonen, Schule und Kanton –, damit für ein Kind die integrative
Beschulung in der Regelklasse möglich ist», so Eberle. «Wir wollen, dass ein
Kind, das nicht unbedingt in eine Sonderschule muss, in der Regelklasse
anfangen kann.»
Diskussionsforum
im Spital
Der Behindertenverband Procap bietet Beratung und Unterstützung für
Menschen mit Behinderung und deren Familien an. «In den vergangenen Jahren
hatten wir immer mehr Eltern von Kindern mit Behinderungen bei uns in der
Beratung», sagt Eberle. Dass auch der eigene Rechtsdienst immer mehr
Kinderakten bearbeitet, habe den Anstoss für ein Elternforum zu diesem Thema
gegeben. Morgen um zehn Uhr findet im Kantonsspital St. Gallen das
Diskussionsforum zum Thema «Sonderschule oder Regelschule» statt. «Wir haben
bereits mindestens 80 Anmeldungen», sagte Eberle am Mittwoch. Schon länger gebe
es bei der Procap eine Betroffenengruppe für Eltern von Kindern mit
Behinderung. Ein bereits durchgeführtes Forum zum Thema Entlastung in diesen
Familien sei auf sehr grosses Interesse gestossen.
Chancen und
Grenzen
Eines von zwei Impulsreferaten am Elternforum wird Bea Zumwald halten.
Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Lehr- und Lernforschung der
Pädagogischen Hochschule St. Gallen und wird zum Thema «Chancen und Grenzen der
integrativen Beschulung» sprechen. Die Chancen einer integrativen Beschulung
sieht Bea Zumwald darin, dass das Kind in der Nähe seines Wohnorts zur Schule
gehen kann. Ausserdem seien die sozialen Kontaktmöglichkeiten und damit auch
die sozialen Lerngelegenheiten in einer Regelklasse vielfältiger. «Auch für die
nicht behinderten Kinder ist der Kontakt mit einem Kind mit Behinderung oder
speziellen Bedürfnissen wertvoll», sagt Zumwald. Der Lernfortschritt könne
zudem besser ausfallen, wenn andere Kinder, die kognitiv schon etwas weiter
seien, als Vorbilder dienten.
Damit die Chancen einer integrativen Beschulung umgesetzt werden können,
müssen laut Zumwald einige Bedingungen erfüllt sein. Genügend Ressourcen –
sowohl zeitlich, personell als auch bezüglich Material – seien eine der
Grundlagen. Die multiprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen,
Heilpädagogen und Therapeuten ist eine weitere Bedingung. «Das Know-how, das in
Sonderschulen vorhanden ist, muss in die Regelklassen transportiert werden»,
sagt Zumwald. Ausserdem wirke eine positive Haltung der Lehrpersonen,
Mitschüler und Eltern gegenüber der Integrationssituation unterstützend.
Vielfältiges
Angebot
Das zweite Impulsreferat morgen hält Margrit Honegger als Vertreterin
des Bildungsdepartements. Sie stellt zum einen das Sonderpädagogikkonzept des
Kantons St. Gallen und zum anderen die sonderpädagogischen Angebote in
Regelschulen und in der Sonderschulung vor. Dazu gehören unter anderem die
Frühförderung im Vorschulalter, die behindertenspezifische Beratung und
Unterstützung in der Regelklasse sowie die Betreuung und Pflege in
Tagesstrukturen und im Internat.
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