Die Argumente der
Befürworter von Sammelfächern – sie selbst finden schon allein das Wort
despektierlich und reden lieber von Fächerverbünden – haben eines
gemeinsam: Sie lassen sich leicht entkräften.
Die Weiterbildungen sind ein Witz, Basler Zeitung, 27.5. von Michael Weiss
So sollen Sammelfächer
das interdisziplinäre, vernetzte Denken fördern. Das tönt unwiderstehlich gut,
doch wie will man verschiedene Fächer vernetzen, wenn man über diese selbst
noch gar nichts weiss? Erst wenn ein Grundstock an Wissen in den Einzelfächern
vorhanden ist, können diese miteinander vernetzt werden. Die Sekundarstufe muss
genau diesen Grundstock zunächst legen. Selbst an den Gymnasien unterrichtet
man Biologie, Chemie, Physik, Geschichte und Geografie zunächst als
Einzelfächer und bietet dann im letzten Schuljahr fächerübergreifende Kurse an.
Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt. Das Wahlpflichtfach Mint würde im
Bereich der Naturwissenschaften ein ähnliches Vorgehen auch auf der Sek I
ermöglichen. Und Mint wird unabhängig vom Ausgang der Abstimmungen ohnehin
eingeführt werden.
Übrigens soll ausgerechnet
dasjenige Schulfach, das von sich aus am meisten Ansatzpunkte zu
interdisziplinärem und vernetztem Denken liefern würde, durch die Einführung
von Sammelfächern geschwächt werden, nämlich Geografie: Statt wie bisher je
zwei Lektionen Geschichte und zwei Lektionen Geografie sieht die neue
Stundentafel nur drei Lektionen für das entsprechende Sammelfach «Räume,
Zeiten, Gesellschaften» vor. Sammelfächer begünstigen den Bildungsabbau: Die
Entscheidungsträger haben viel weniger Skrupel, bei einem Vier-Lektionen-Sammelfach
eine Lektion zu streichen als bei einem Zwei-Lektionen-Einzelfach. Das ruft
nach der Frage: Geht es überhaupt um die Vernetzung oder doch eher um das
Streichen von Lektionen?
Die viel beschworene
Interdisziplinarität findet sich auch im Lehrplan 21 nicht. Die Inhalte des
Fächerverbunds «Räume, Zeiten, Gesellschaften» sind dort zu 100 Prozent
entweder der Geografie oder der Geschichte zugeordnet. Bei «Natur und Technik»
sieht es kaum anders aus. Ob die Fächer einzeln geführt oder zusammengefasst
werden: Unterrichtet wird dasselbe. Daher ist auch ein Schulwechsel von einem
Kanton in den anderen nicht schwieriger, wenn in einem davon Sammelfächer
unterrichtet werden und im anderen nicht. Die nicht vorhandene
Interdisziplinarität im Lehrplan 21 hat zur Folge, dass Lehrmittel, die für
Sammelfächer konzipiert wurden, genauso gut auch im Einzelfachunterricht
verwendet werden können. Man spart sogar Geld dabei, wenn man ein Lehrmittel
für mehrere Fächer hat. Und aus demselben Grund können Lehrkräfte, die für
Sammelfächer ausgebildet wurden, diese gleich gut auch als Einzelfächer
unterrichten.
Eine ausgebildete
Geschichtslehrerin kann aber in der Regel nicht auch Geografieunterricht
erteilen. Die Versicherung, der Unterricht der Sammelfächer könnte wenn nötig
auf mehrere Lehrpersonen aufgeteilt werden, ist wenig glaubwürdig. Die
Aufteilung wäre organisatorisch höchst kompliziert. Damit würde der Druck auf
die Lehrkräfte gross, auch Fächer zu unterrichten, für die sie nicht
ausgebildet wurden – mit den entsprechenden Folgen für die Unterrichtsqualität.
Und die Weiterbildungen, die den betroffenen Lehrpersonen für eine
Fächererweiterung angeboten werden, sind gelinde gesagt ein Witz. An sieben
Samstagnachmittagen wird aus keinem Physiklehrer ein fähiger Biolehrer.
Bemerkenswerterweise hat
nie jemand darüber nachgedacht, Französisch und Englisch zu einem Fach
zusammenzufassen, obwohl die Didaktik der Mehrsprachigkeit ja immer noch in
ist. Die Folge ist, dass die Bedeutung der Sprachnoten im Zeugnis weiter
zunimmt. Sammelfächer torpedieren so die Mint-Förderung.
Zur Meinung der
Baselbieter Lehrerinnen und Lehrer in dieser Frage kursieren verschiedene
Aussagen. Die Delegierten der AKK befürworten die Sammelfächer. Der
Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland hat jedoch als Einziger die gesamte im
Verein organisierte Lehrerschaft befragt – und nicht nur eine vergleichsweise
kleine Anzahl auserwählter Delegierter. Diese Befragung hat ergeben, dass auf
allen Schulstufen die Lehrpersonen mehrheitlich Ja zum Verzicht auf die
Sammelfächer sagen.
Michael Weiss ist
Geschäftsführer des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland LVB. Er
unterrichtet am Gymnasium Münchenstein Mathematik, Physik und Informatik.
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