27. Mai 2016

Argumente für Sammelfächer entkräftet

Die Argumente der Befürworter von Sammelfächern – sie selbst finden schon allein das Wort despektierlich und reden lieber von Fächer­verbünden – haben eines gemeinsam: Sie lassen sich leicht entkräften.
Die Weiterbildungen sind ein Witz, Basler Zeitung, 27.5. von Michael Weiss


So sollen Sammelfächer das interdisziplinäre, vernetzte Denken fördern. Das tönt unwiderstehlich gut, doch wie will man verschiedene Fächer vernetzen, wenn man über diese selbst noch gar nichts weiss? Erst wenn ein Grundstock an Wissen in den Einzelfächern vorhanden ist, können diese miteinander vernetzt werden. Die Sekundarstufe muss genau diesen Grundstock zunächst legen. Selbst an den Gymnasien unterrichtet man Biologie, Chemie, Physik, Geschichte und Geografie zunächst als Einzelfächer und bietet dann im letzten Schuljahr fächerübergreifende Kurse an. Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt. Das Wahlpflichtfach Mint würde im Bereich der Naturwissenschaften ein ähnliches Vorgehen auch auf der Sek I ermöglichen. Und Mint wird unabhängig vom Ausgang der Abstimmungen ohnehin eingeführt werden.

Übrigens soll ausgerechnet das­jenige Schulfach, das von sich aus am meisten Ansatzpunkte zu interdisziplinärem und vernetztem Denken liefern würde, durch die Einführung von Sammelfächern geschwächt werden, nämlich Geografie: Statt wie bisher je zwei Lektionen Geschichte und zwei Lektionen Geografie sieht die neue Stundentafel nur drei Lektionen für das entsprechende Sammelfach «Räume, Zeiten, Gesellschaften» vor. Sammelfächer begünstigen den Bildungsabbau: Die Entscheidungsträger haben viel weniger Skrupel, bei einem Vier-Lektionen-Sammelfach eine ­Lektion zu streichen als bei einem Zwei-Lektionen-Einzelfach. Das ruft nach der Frage: Geht es überhaupt um die Vernetzung oder doch eher um das Streichen von Lektionen?

Die viel beschworene Interdisziplinarität findet sich auch im Lehrplan 21 nicht. Die Inhalte des Fächerverbunds «Räume, Zeiten, Gesellschaften» sind dort zu 100 Prozent entweder der Geografie oder der Geschichte zugeordnet. Bei «Natur und Technik» sieht es kaum anders aus. Ob die Fächer einzeln geführt oder zusammengefasst werden: Unterrichtet wird dasselbe. Daher ist auch ein Schulwechsel von einem Kanton in den anderen nicht schwieriger, wenn in einem davon Sammelfächer unterrichtet werden und im anderen nicht. Die nicht vorhandene Interdisziplinarität im Lehrplan 21 hat zur Folge, dass Lehrmittel, die für Sammelfächer konzipiert wurden, genauso gut auch im Einzelfachunterricht verwendet werden können. Man spart sogar Geld dabei, wenn man ein Lehrmittel für mehrere Fächer hat. Und aus demselben Grund können Lehrkräfte, die für Sammelfächer ausgebildet wurden, diese gleich gut auch als Einzelfächer unterrichten.

Eine ausgebildete Geschichtslehrerin kann aber in der Regel nicht auch Geografieunterricht erteilen. Die Ver­sicherung, der Unterricht der Sammelfächer könnte wenn nötig auf mehrere Lehrpersonen aufgeteilt werden, ist wenig glaubwürdig. Die Aufteilung wäre organisatorisch höchst kompliziert. Damit würde der Druck auf die Lehrkräfte gross, auch Fächer zu unterrichten, für die sie nicht ausgebildet wurden – mit den entsprechenden Folgen für die Unterrichtsqualität. Und die Weiterbildungen, die den betroffenen Lehrpersonen für eine Fächererweiterung angeboten werden, sind gelinde gesagt ein Witz. An sieben Samstagnachmittagen wird aus keinem Physiklehrer ein fähiger Biolehrer.

Bemerkenswerterweise hat nie jemand darüber nachgedacht, Französisch und Englisch zu einem Fach zusammenzufassen, obwohl die Didaktik der Mehrsprachigkeit ja immer noch in ist. Die Folge ist, dass die Bedeutung der Sprachnoten im Zeugnis weiter zunimmt. Sammelfächer torpedieren so die Mint-Förderung.

Zur Meinung der Baselbieter Lehrerinnen und Lehrer in dieser Frage kursieren verschiedene Aussagen. Die Delegierten der AKK befürworten die Sammelfächer. Der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland hat jedoch als Einziger die gesamte im Verein organisierte Lehrerschaft befragt – und nicht nur eine vergleichsweise kleine Anzahl auserwählter Delegierter. Diese Befragung hat ergeben, dass auf allen Schulstufen die Lehrpersonen mehrheitlich Ja zum Verzicht auf die Sammelfächer sagen.

Michael Weiss ist Geschäftsführer des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland LVB. Er unterrichtet am Gymnasium Münchenstein Mathematik, Physik und Informatik.


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