1. April 2016

Alain Bersets Drohfinger

Der Kanton Thurgau lässt sich auf ein Kräftemessen mit Innenminister Alain Berset ein: Er verbannt den Französischunterricht in die Oberstufe. Am Freitag schickte die Thurgauer Regierung den neuen Lehrplan in die Vernehmlassung. Gemäss Vernehmlassungsentwurf sollen die Schulkinder im Ostschweizer Kanton ab Sommer 2018 erst ab Eintritt in die Sekundarstufe Französisch lernen und nicht wie bis anhin bereits ab der fünften Klasse. Stattdessen wird künftig Englisch als erste Fremdsprache erlernt.

Streit um Frühfranzösisch geht in die nächste Runde, NZZ, 2.4. von Andrea Kucera



Der Kanton Thurgau lässt sich auf ein Kräftemessen mit Innenminister Alain Berset ein: Er verbannt den Französischunterricht in die Oberstufe. Am Freitag schickte die Thurgauer Regierung den neuen Lehrplan in die Vernehmlassung. Gemäss Vernehmlassungsentwurf sollen die Schulkinder im Ostschweizer Kanton ab Sommer 2018 erst ab Eintritt in die Sekundarstufe Französisch lernen und nicht wie bis anhin bereits ab der fünften Klasse. Stattdessen wird künftig Englisch als erste Fremdsprache erlernt.

Alain Bersets Drohfinger
Die Thurgauer Regierung setzt damit einen Entscheid des Kantonsparlaments aus dem Sommer 2014 um - à contrecoeur, wie man anmerken muss. Sie hatte damals eine Motion aus SVP-Kreisen, welche die Abschaffung des Frühfranzösisch verlangte, zur Ablehnung empfohlen. Der Grosse Rat stellte sich indes hinter die Gegner des Frühfranzösisch. In der Westschweiz löste dies einen Sturm der Entrüstung aus.

Problematisch ist der neue Thurgauer Lehrplan mit Blick auf den Kompromiss der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) aus dem Jahr 2004. Die Kantone sind gemäss Kompromiss angehalten, zwei Fremdsprachen in der Primarschule zu unterrichten. Weil die Kompetenz für die Erlassung neuer Lehrpläne bei den Kantonen liegt, gibt es indes bis anhin keine rechtliche Handhabe, gegen einen abweichenden Kanton vorzugehen. Das würde sich ändern, sollte Innenminister Alain Berset wie angedroht am Sprachengesetz zu schrauben beginnen. Das «Bundesgesetz über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften» schreibt im Artikel 15 vor, die Schüler müssten am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in einer zweiten Landessprache sowie in einer weiteren Fremdsprache verfügen. Wiederholt hat Berset angekündigt, er sei bereit, das Sprachengesetz dahingehend abzuändern, dass das Erlernen einer zweiten Landessprache zwingend in der Primarschule beginnen muss. Der Bundesrat kann von seiner subsidiären Kompetenz Gebrauch machen und in die Bildungshoheit der Kantone eingreifen, sollten sich die Stände nicht einig werden. In einem Brief an die Adresse der EDK forderte der Innenminister die Kantone vor kurzem erneut dazu auf, den Kompromiss aus dem Jahr 2004 zu respektieren.

Rote Linie im Herbst erreicht

Die rote Linie ist für Berset überschritten, sobald ein Kanton das Frühfranzösisch definitiv abschafft. Ist dieser Punkt inzwischen erreicht? «Nein», sagt die Sprecherin des Eidgenössischen Departements des Innern, Ariane Geiser, auf Anfrage. Noch sei der neue Thurgauer Lehrplan nicht in Kraft. In der Tat läuft die Vernehmlassungsfrist bis Ende Juni. Danach wertet die Regierung die Reaktionen aus und erlässt den Lehrplan voraussichtlich im Herbst. Das Parlament kommt nicht mehr zu Wort, und auch der Referendumsweg ist ausgeschlossen.

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