15 000 Stunden: So lange muss jeder Schweizer Schüler die Schulbank
drücken – mindestens. Die einen freuen sich jeden Morgen auf die neuen
schulischen Herausforderungen, die anderen aber haben irgendwann die Nase voll.
Im internationalen Vergleich schwänzen Schweizer Schüler wenig, Bild: Aargauer Zeitung
Das droht den Aargauer Schulschwänzern heute, Aargauer Zeitung, 15.3. von Samuel Schumacher
Konsequenz:
Sie schwänzen. Im internationalen Vergleich sind unsere Schüler zwar recht
brav. Laut einer Studie von 2012 schwänzen nur rund fünf Prozent regelmässig
die Schule. Nur in Japan, Korea, Island, Holland und Irland sind die Schüler
noch braver.
Trotzdem:
Schulschwänzen wird an manchen Oberstufenzentren in der Region zunehmend zum
Problem. «Bis vor wenigen Jahren gab es dieses Phänomen bei uns nicht. In
letzter Zeit aber wird vermehrt geschwänzt, in praktisch allen Klassen»,
erzählt Edgar Kohler, Schulleiter am Oberstufenschulhaus Lenzhard in Lenzburg.
Kohler begrüsst es, dass unentschuldigte Absenzen an den Aargauischen Oberstufen ab nächstemSchuljahr in die Zeugnisse eingetragen werden müssen.
«Gewisse
Jugendliche lassen sich selbst von Strafnachmittagen und Bussen nicht mehr
beeindrucken. Wenn ihre unentschuldigten Absenzen in Zukunft im Zeugnis stehen,
dann dürfte das den notorischen Schulschwänzern aber kaum noch egal sein.» Wer
sich mit einem solchen Zeugnis für eine Lehrstelle bewerbe, der habe einen
klaren Nachteil.
Altersheim und Bauernhof
Das neue
Absenzenreglement gibt den Schulen ein einheitliches Instrument, um
Schulschwänzer zu bestrafen – zumindest auf Papier. Wie reagieren die Schulen
aber unmittelbar aufs Schwänzen heute? Eine Umfrage bei Oberstufenschulen in
der Region zeigt: Die meisten Sanktionen, die den Schulschwänzern drohen, sind
altbekannt: Nachsitzen, Arbeitseinsätze, Elterngespräche. Die Strafen sind zwar
weniger schmerzhaft als noch zu Gotthelfs Zeiten. Viel origineller geworden
sind sie nicht.
Hinzu kam
aber der schulpsychologischen Dienste bei Härtefällen. Eine Massnahme, die alle
befragten Schulen kennen. Im Schulhaus Lenzhard kommt der Schulpsychologe dann
zum Zug, wenn alle anderen Disziplinierungsversuche scheiterten.
Wer zum
ersten Mal schwänzt, muss die verpassten Lektionen nachholen. Im Wiederholungsfall
informiert die Schulpflege die Eltern und bestellt die Müssiggänger am
Mittwochnachmittag zum Arbeitseinsatz ins Altersheim oder auf einem Bauernhof.
In Extremfällen werden Bussen verhängt. «Es gibt notorische Schwänzer, bei
denen selbst Bussen nichts nützen», sagt Kohler. Solche Schüler müssen dann
beim Schulpsychologen antraben.
Auch in
Möriken-Wildegg wird der Schulpsychologe im Notfall gerufen. Arbeitseinsätze im
Altersheim gibt es nicht, dafür zuerst die unangenehmen Elterngespräche. «Und
wenn das Gespräch zwischen dem Lehrer und den Eltern das Problem nicht klärt,
schalten wir die Schulleitung ein», erklärt Gesamtschulleiter Beat Schenk.
Klassisches
Nachsitzen droht den Schulschwänzern an der Kreisschule Kölliken Muhen. «In den
seltenen Fällen, in denen Schüler regelmässig schwänzen, hat das fast immer
familiäre Ursachen», erklärt Schulleiter Philipp Grolimund. Deshalb geht man
dort das Problem grundsätzlich zusammen mit der Schulsozialarbeit an.
In Aarau
wird jeder Fall separat betrachtet – am Ende droht aber mehr als nur ein Termin
beim Schulpsychologen. «Das Spektrum reicht von Nachsitzen bis zu befristetem
Schulausschluss», sagt Remi Bürgi, Geschäftsleiter der Schule Aarau. Der
befristete Schulausschluss ist die härteste Massnahme, mit Oberstufenschüler
rechnen müssen.
20 Franken pro Lektion
Ungemütlich
ist es für Schulschwänzer auch an den Berufsschulen. Viele Schulschwänzer gibts
auf dieser Stufe zwar nicht. «80 Prozent schwänzen nie, nur etwa 1 Prozent
erscheint regelmässig nicht zur Schule», bestätigt Konrektor Paul Knoblauch.
Dieses eine Prozent kommt das Schwänzen allerdings teuer zu stehen. In Aarau
kostet Schulschwänzen 10 Franken pro Lektion, an der Berufsschule Lenzburg gar
20 Franken (plus 5 Franken Verrechnungsgebühr pro Rechnung).
«Dass
Schulschwänzer an der Berufsschule gebüsst werden, ist vom Kanton so
vorgegeben», erklärt Paul Knoblauch. Die Berufsschule Aarau nimmt dadurch
jährlich einen fünfstelligen Betrag ein, der für Exkursionen eingesetzt wird.
«Das ist
zwar eine gute Regelung. Dennoch wäre es uns am liebsten, wenn wir keinen
einzigen Rappen verdienen würden», betont Knoblauch. Zusätzlich zu den Bussen
werden entschuldigten und unentschuldigten Absenzen der Berufsschüler in die
Zeugnisse eingetragen.
Zurück zur
Oberstufe: Endet die Ära der Schulschwänzer, wenn die unentschuldigten Absenzen
nun im Zeugnis stehen? Kaum, glaubt der Lenzburger Schulleiter Edgar Kohler.
«Die Angst vor den negativen Folgen eines Zeugniseintrages für die
Lehrstellensuche könnte Eltern dazu bewegen, Absenzen nicht wahrheitsgetreu zu
entschuldigen.»
Aber er
findet immerhin: «Dass unentschuldigte Absenzen ab kommendem Sommer im Zeugnis
stehen, hat einen positiven Effekt für all jene, die nicht schwänzen. Und das
ist immer noch die klare Mehrheit aller Schüler.»
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