Seit
2009 wird der grösste Teil der Sek-I-Lehrpersonen in der deutschen Schweiz
vollständig an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet. Dies gilt auch für unsere
Region, wo die Pädagogische Fachhochschule Nordwestschweiz (PHFHNW) für den
sogenannten «integrierten Studiengang Sek I» zuständig ist. Die Universität
Basel spielt in diesem Rahmen eine Nebenrolle: Sie erteilt im Auftrag der PH
die Fachausbildung für die Studierenden des Basler Einzugsgebiets.
Fachausbildung von Sek-I-Lehrern auf dem Prüfstand, Basellandschaftliche Zeitung, 8.3. Gastkommentar von André Vanoncini
In den
Kantonen Basel-Stadt und Baselland gab es bis 2009 eine als Universitätsstudium
konzipierte Fachausbildung der Sek-I-Lehrpersonen. Hier ist mit der neuen
Ausbildung eine deutliche Nivellierung nach unten erkennbar. Dasselbe gilt für
die Bezirkslehrkräfte in den Kantonen Aargau und Solothurn. Statt wie bis anhin
60 Prozent beträgt der Anteil an Fachausbildung heute nur noch 20 Prozent, was
eine Anpassung an die ost- und innerschweizerischen Pädagogischen Hochschulen
mit ihren Mehrfächerdiplomen ermöglichte (bis zu fünf Fächer), aber eine
Abschwächung der fachlichen Kompetenz von Lehrpersonen mit sich brachte. Nun
kann man sich fragen, ob diese Entwicklung negativ zu bewerten ist.
Schliesslich sind Lehrkräfte mit vier oder fünf Fächern flexibler einsetzbar
als solche mit drei oder nur zwei Fächern. Im Übrigen erhalten sie mehr
didaktischen und erziehungswissenschaftlichen Unterricht als früher mit dem
Ziel, sie näher an die Schulrealität zu führen.
Die
Gruppe für eine bessere Sekundarlehramtsausbildung (GBS), die ich hier
vertrete, war von Anfang an skeptisch. Ihre Mitglieder (der Schreibende, Daniel
Goepfert, Oswald Inglin, Marc Joset, Martin Schaffner/AG, Michael Weiss, S
Kerstin Wenk, Martin Zwimpfer/SO) gehen von der These aus, dass nur fachlich
gut gerüstete Lehrpersonen ihren Beruf überzeugend auszuüben vermögen. Dieser
These widerspricht zwar niemand, umgesetzt wird sie aber nicht. 20 Prozent
Fachanteil in vier Fächern oder noch weniger in fünf Fächern können dem
proklamierten Qualitätsanspruch schlicht und einfach nicht gerecht werden.
Folge solcher Ausbildungsgänge sind rasch überforderte Lehrpersonen,
entsprechend häufige Austritte aus dem Schuldienst und auf dem Altar der
vermeintlichen Flexibilität geopferte Schülergenerationen.
Die GBS
steht mit dieser Erkenntnis längst nicht mehr alleine da. Die Lehrerschaft,
gerade in der Region Basel, hat sich eindrücklich im selben Sinn geäussert.
Davon zeugen die von den Baselbieter Lehrpersonen im Jahr 2014 eingereichte
Petition sowie auch die offizielle Unterstützung unserer Anliegen durch die
Verbände FSS, LVB, VPOD, Bezirkslehrerverband Aargau und Gymlehrerverband
Solothurn. Zudem haben sowohl Landrat (2015) als auch Grosser Rat (Februar
2016) die von Marc Joset und Daniel Goepfert eingereichten Vorstösse für eine
bessere Fachausbildung der Lehrkräfte auf der Sek-I-Stufe entgegen den Anträgen
der Erziehungsdirektionen wiederholt und mit deutlichem Mehr zur
Weiterbehandlung eingereicht.
Nun hat
sich auch die PHFHNW im Herbst zur angesprochenen Problematik geäussert. Es ist
erfreulich, dass sie ebenfalls eine Stärkung der Fachausbildung für notwendig
zu halten scheint. So schlägt sie vor, den «integrierten Studiengang»
weiterzuentwickeln, indem sie den jeweiligen fachwissenschaftlichen Anteil auf
30 Prozent erhöht, wobei allerdings auch noch ein viertes Fach zusätzlich zu
den drei bisherigen studierbar werden soll.
Dass es
sich hier um ein schwieriges Vorhaben handelt, bestätigt der Vizedirektor der
Pädagogischen Hochschule (PH), Alexander Hoffmann, indem er von einer
«Quadratur des Kreises» spricht. Allerdings erklärt er nicht, wie eine
Aufstockung der Fachwissenschaft erfolgen soll, ohne dass andere Bereiche wie
Fachdidaktik oder Erziehungswissenschaft dafür Anteile hergeben. Der Grund für
diese Diskretion liegt vermutlich darin, dass die PH eine solche Verlagerung
gar nicht beabsichtigt. Schaut man nämlich auf ihre neusten Organigramme, so
begreift man schnell, dass einzig und allein die Kreditpunkte verschoben
werden, das Angebot aber dasselbe bleibt. Mit anderen Worten: Den Studierenden
wird keine einzige zusätzliche Minute mehr Fachunterricht gewährt. Womit die
versprochene Stärkung der Fachwissenschaft zum Facelifting mittels
Kreditpunktemagie verkommt.
Um dies
zu ändern, braucht es nicht die «Quadratur des Kreises», sondern mehr Mittel
für die Fachwissenschaft. Dies bedeutet, dass man bei den anderen Bereichen
Abstriche vornehmen muss. Dafür infrage kommen sicher die theorielastige
Erziehungswissenschaft und bis zu einem gewissen Grad die überdotierte
Fachdidaktik, nicht aber die Berufspraxis, sofern sie, wie von der PH
angekündigt, wieder unterrichtsbezogener vermittelt wird.
Die
GBS, zusammen mit Vertretern der Schulen, der Universität, der Behörden und der
Politik, versucht, dem bestmöglichen Ausbildungsmodell für unsere zukünftigen
Sek-I-Lehrpersonen zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei möchte sie nicht nur den
fachwissenschaftlichen Anteil im Sek-I-Studiengang erhöhen, sondern auch die
Berufspraxis wieder in die Hände von erfahrenen Lehrpersonen zurückgeben. Die
PH hat sich mit ihren jüngsten Entscheiden in die richtige Richtung bewegt.
Dafür verdient sie Anerkennung. Damit sie den eingeschlagenen Weg wirklich
weiter geht, braucht es kritische Aufmerksamkeit und konstruktive
Zusammenarbeit. Beides bieten wir gerne an.
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