28. Februar 2016

Lieber Bernhard Pulver

Zum Glück haben Sie als Berner Erziehungsdirektor das von den Erziehungsbürokraten desLehrplans 21 ausgedachte Bewertungsschema der «personalen und sozialenKompetenzen» der Schüler wieder schubladisiert. Allerdings erst nach energischem Protest von Praktikern, die es absurd finden, Schüler auf einer Skala von 1 bis 10 im Charakter zu «vermessen» und Qualitäten wie Selbstreflexion, Eigenständigkeit, Dialog- und Konfliktfähigkeit, Pünktlichkeit, Ordnungssinn und Umgangsformen zu beurteilen sowie den «Umgang mit Vielfalt» einzuschätzen. Vielfalt in der Kunst, in Fauna und Flora? Oder war das etwa migrationspolitisch gemeint? Heikel, heikel. 
Lieber Bernhard Pulver, Schweizer Illustrierte, 26.2. Kolumne von Peter Rothenbühler

Da waren wieder mal neunmalkluge Gutmenschen am Werk. Bedenklich auch, dass diese Charakterbewertung offenbar von der Wirtschaft gewünscht wird, wo ja diverse Human-Resources-Direktoren längst die Mode der Personalbewertungsblätter eingeführt haben, die jeden Chef verpflichten, Mitarbeiter nach pseudopsychologischen Kriterien zu katalogisieren, fast so wie einst die Bundespolizei unbedarfte Polizisten aussandte, unbescholtene Bürger auf der Skala Mitte bis linksextrem zu taxieren. Nein, so geht es nicht. Die Schule soll den Schülern Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen, die Leistung fördern und diese auch abfragen und benoten. Nicht mal ein Psychiater ist in der Lage, den Charakter seiner Kunden zu «vermessen».
Geschweige denn all die guten Lehrer, die in meiner Erinnerung zu zwei Dritteln charakterlich auf der Skala von 1 bis 10 knapp auf eine 6 kamen, aber den Lehrstoff einfach saugut rüberbrachten. Ganz ohne Schema.
Mit freundlichen Grüssen

Peter Rothenbühler 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen