28. Oktober 2015

Integration: Beispiel Dornach

Dornach dürfte kein Einzelfall sein in der Schweiz. Exemplarisch zeigt er die Probleme der integrativen Förderung. Nun hat der Gemeinderat zwei zusätzliche Klassen bewilligt.
Die Primarklassen sind zu gross, die Zimmer zu klein, Basler Zeitung, 28.10. von Dina Sambar


Die Primarschule Dornach steckt in einer Krisensituation. Darin sind sich besorgte Eltern sowie Lehr- und Förderlehrpersonen einig. Sie alle haben dem Gemeinderat, beziehungsweise der Schulleitung Briefe geschrieben, die alle grundsätzlich dieselben Probleme beklagen. Die Klassen sind zu gross, die Räume zu klein oder gar nicht vorhanden. «Bei einem Unterrichtsbesuch sass mein Sohn mit einem Gehörschutz in der Klasse, damit er sich überhaupt konzentrieren konnte. Die Klasse ist zu gross und es hat auch integrierte hyperaktive Kinder, die auf den Tischen herumturnen», sagt Mutter Sabina Richli. Ihr Sohn habe sich von ihr einen eigenen Gehörschutz gewünscht, da es in der Klasse nur vier davon gebe und die immer sofort vergriffen seien.
Auch die Klassenlehrpersonen schreiben, dass sie mit den aktuellen Schülerzahlen an die Grenzen der Belastbarkeit und Machbarkeit von gutem Unterricht stossen. Und die Heilpädagoginnen und Koordinatorinnen der Speziellen Förderung beschreiben eine Entwicklung, welche eine gelingende Integration von Kindern mit speziellem und sonderpädagogischem Bedarf zusehends verunmögliche. Die zunehmende Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund stelle eine weitere Herausforderung dar.

Zusätzliche Klassen gefordert
An der öffentlichen Gemeinderatssitzung am Montagabend kam es deshalb zu der aussergewöhnlichen Situation, dass das Gemeinderatszimmer brechend voll war. Sogar die zusätzlich bereitgestellten Stühle reichten für die erschienenen Eltern und Lehrpersonen nicht aus. Mitdiskutieren durften sie nicht, doch ihre Sorgen wurden in der Sitzung von der Schulleitung und der Fachkommission Schule mit Zahlen untermauerten.
Die Klassen sind in Dornach im Durchschnitt zu gross. Besonders betroffen sind die zwei ersten, zweiten und vierten Klassen, die alle zwischen 25 und 27 Schüler zählen. In all diesen Klassen gibt es mehrere Kinder mit speziellem Förderbedarf, sei es heilpädagogische Betreuung, Logopädie, Deutsch als Fremdsprache oder Fremdsprache für Zugezogene. Integriert sind auch zwei Kinder mit sonderpädagogischen Massnahmen.
In einem Antrag an den Gemeinderat fordert die Schulleitung deshalb, dass für das kommende Schuljahr zwei zusätzliche Klassen vorgesehen werden – eine fünfte Klasse und eine gemischte Zweijahrgangsklasse für die zukünftigen Zweit- und Drittklässler. Auf dem Areal des Schulhauses Brühl sollen als kurzfristige Lösung für das Raumproblem zwei Container aufgestellt werden. Sieben zusätzliche flexible Poollektionen für spezielle Förderung sollen für weitere Entlastung sorgen.

Flächenbrand
Gemeinderat Roland Stadler nannte die Situation der Schule einen Flächenbrand. Von der Schulleitung wollte er wissen, wie das Ganze derart ausarten konnte. Laut Rektorin Marie-Thérèse do Norte hat sich die aktuelle Situation erst bei den Übertritten aus dem Kindergarten abgezeichnet: «Wir hatten einige Kinder aus Privatschulen. Zudem sind in der letzten Ferienwoche vor Schulbeginn neun Kinder zugezogen.» Als kurzfristige Lösung habe die Schulleitung beim Kanton Assistenzlektionen beantragt und diese auch erhalten. Doch diese würden das Problem auch nicht restlos lösen.
Alain Amhof warf die Frage auf, ob es nicht fast schon eine Bankrotterklärung der integrativen Schule sei, wenn trotz so viel bereitgestellter Infrastruktur und finanziellen Mitteln die Qualität des Unterrichts nicht gewährleistet werden könne.

Trotz diesem Votum schloss sich der Gemeinderat der Meinung der Eltern, Lehrer und Schulleitung an. Die Anträge wurden, trotz nicht zu vernachlässigenden Mehrkosten für das Budget, angenommen – fast alle sogar einstimmig. Sabina Richli ist positiv überrascht von diesem Resultat: «Das Problem mit den Klassen besteht seit der Abschaffung der Einführungs- und Kleinklassen. Ich habe fünf Kinder und schon fünf Mal einen solchen Brief unterschrieben. Bis jetzt gab es nie ein Feedback.» Nun hoffe sie, dass den Worten auch zeitnah Taten folgen.

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