Quereinsteiger an der PHZH: Bis an die Grenze der Belastbarkeit, Bild: Dominique Meienberg
Quereinsteiger klagen über "harte Ausbildung", Tages Anzeiger, 4.8. von Daniel Schneebeli
Die
Jahre des extremen Lehrermangels sind in Zürich vorbei – auch dank der Hilfe
von Leuten aus anderen Berufen, die sich an der Pädagogischen Hochschule Zürich
(PHZH) zum Lehrer oder zur Kindergärtnerin umschulen liessen. Die
Quereinsteiger-Ausbildung ist in den letzten Jahren zu einem Erfolgsschlager
der PH geworden. Die Interessenten standen Schlange, und unterdessen ist jeder
fünfte Studierende an der Hochschule ein Quereinsteiger oder eine
Quereinsteigerin.
Doch unterdessen häufen
sich auch die Klagen der Studierenden, die meist viel älter sind als ihre
Kommilitonen aus den sogenannt regulären Studiengängen – im Schnitt 44-jährig.
Der Tenor ist überall ähnlich. Die Studierenden werden bis an die Grenze ihrer
Belastbarkeit gefordert. «Dieser Studiengang ist ein Überlebenstraining», sagt
eine Quereinsteigerin, die das Doppeldiplom für den Kindergarten und die
Primarschul-Unterstufe anstrebt. Speziell die Bachelor-Arbeit werde von den
meisten als «viel zu aufwendig» eingestuft.
Ein Diplom auf 16
Studierende
Diese hohe Belastung hat
dazu geführt, dass vor den Sommerferien von den 16 Studierenden aus der
erwähnten Quereinsteiger-Klasse nur gerade eine das Diplom gemacht hat. «Bei
dieser Erfolgsquote können Aufwand und Ertrag nicht stimmen – auch nicht für
den Kanton, der die Ausbildung mitfinanziert», sagt eine der Absolventinnen.
Für sie ist dies gegenwärtig in der Kindergartenstufe besonders stossend, denn
dort gibt es immer noch einen Personalmangel: «Es ist ein Witz», sagt sie,
«denn nun müssen die offenen Stellen im Kindergarten sogar mit nicht
ausgebildeten Personen besetzt werden.»
Die Absolventin betont,
dass die Quereinsteigerinnen bereits während der Ausbildung im neuen Beruf
tätig sein müssen, und zwar nicht nur als Hilfskraft, sondern als Klassenlehrerin
mit einem Pensum von mindestens 40 Prozent: «Da bleibt für die theoretische
Studienarbeit oft nicht viel Zeit.» Gestützt wird diese Aussage durch einen
externen Evaluationsbericht der Bildungsdirektion (siehe Box). Demnach sind
Theorie und Prüfungsvorbereitungen die mit Abstand am meisten kritisierten
Teile des Quereinsteiger-Studiums.
Andrea Widmer Graf,
stellvertretende Prorektorin Ausbildung an der PH, ist erstaunt über die
Kritik: «Immerhin können die Studierenden während der Ausbildung eine bezahlte
Stelle an der Volksschule übernehmen.» Widmer Graf bestätigt, dass im erwähnten
Studiengang Kindergarten/Unterstufe von den 16 Studierenden nur jemand das
Diplom erhalten habe. Allerdings würden sieben Personen ihr Diplom mit
Verspätung in einem halben Jahr bekommen – zwei, weil sie eine nicht bestandene
Diplomprüfung wiederholen müssen, und fünf, weil sie dann ihre Bachelor-Arbeit
abgeschlossen haben. Solche verspäteten Studienabschlüsse bezeichnet Widmer
Graf als «ganz normal».
Laut Widmer Graf stiegen
von den 16 Studierenden 4 auf den Quereinsteiger-Studiengang für die
Primarstufe um, und 4 brachen das Studium ab. So haben 12 von 16 Studierenden
einen Abschluss gemacht, was laut Widmer Graf zufriedenstellend ist. Der
stellvertretenden Prorektorin ist allerdings bewusst, dass die Quereinsteiger
und Quereinsteigerinnen «eine enorme Leistung erbringen» und mit ihrer
praktischen Arbeit in den Klassen sehr belastet sind. Dennoch will sie die
Anforderungen nicht herunterschrauben: «Wir haben hohe Ansprüche, wie die
Eltern der Kinder auch.» Zudem seien Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im
Vergleich zu den regulär Studierenden im Vorteil. Ihre Ausbildungszeit sei
kürzer, weil ihnen aufgrund ihres Erststudiums Studienleistungen im Umfang von
einem Jahr angerechnet würden. Widmer Graf stellt weiter klar, dass man die
Anforderungen hoch halten müsse, damit die Studiengänge von der
Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) anerkannt werden.
Keine offenen Stellen
mehr
Die Situation in den
Zürcher Schulen hat sich laut Volksschulamtschef Martin Wendelspiess fast
vollständig entspannt. Auch im Kindergarten, wo die Personalsuche noch
schwieriger ist, sind fürs neue Schuljahr alle Stellen besetzt. Sonst ist im
ganzen Kanton nur noch eine Klassenlehrerstelle zu besetzen und einige
Kleinstpensen. Laut Wendelspiess sind es vor allem Quereinsteigerinnen und
Quereinsteiger, die für Entspannung gesorgt haben.
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