Calcagnini: Die Lernziele der ersten drei Primarschuljahre werden nicht erreicht, Bild: Südostschweiz
Verschwendete Lernzeit, Schulblog Südostschweiz, 25.8. von Elisabeth Calcagnini
Sie
übernimmt ihre Schülerinnen und Schüler jeweils nach drei Jahren Unterstufe und
stellte grosse Unterschiede fest zwischen einer früheren Klasse, die noch in
den Genuss von geführtem und strukturiertem Klassen-Unterricht mit klaren
Lernzielen gekommen ist und ihrer letzten Klasse, deren Lehrerin von Anfang an
mit den seit einigen Jahren propagierten offenen, selbst gesteuerten Lernformen
wie zum Beispiel Wochenplan arbeitet.
Meine Wanderkollegin
schilderte sehr anschaulich, dass sie weit mehr als ein halbes Jahr benötigte,
bis diese Kinder ihre Lücken im Stoff einigermassen geschlossen und ihre
Defizite im sozialen Bereich verbessert hatten. Dies war nur möglich, weil sie
zum Glück von den besorgten Eltern darin unterstützt wurde, mit den
verunsicherten Kindern Schritt für Schritt den Schulstoff aufzuholen, die
Grundlagen zu festigen und gemeinsam zu lernen.
«Besonders
beschäftigt hat mich die deutlich spürbare Konkurrenz, die in dieser Klasse
aufgrund des ständigen Vergleichs herrschte. Ein konstruktives Miteinander war
nicht möglich, es ging immer darum, wer schneller fertig ist, eine fiebrige
Stimmung auf Kosten der schwächeren», erzählte sie.
Im Klassenunterricht
lernen die Kinder in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Stoff. Im
vorwiegend individualisierten Unterricht hingegen sind sie zu oft sich selbst
überlassen, lösen ihre Aufgaben als Einzelkämpfer und so wird leider wertvolle
Lernzeit verschwendet. Viele Kinder verlieren die Motivation, es geht in erster
Linie um das Abhaken oder Erledigen von Aufträgen, zu denen sie wenig inneren
Bezug haben.
«Ich
versicherte den Kindern immer wieder, dass sie alle den Schulstoff lernen
würden, dass es aber Zeit und viel Übung braucht. Auch verlangte ich von ihnen,
dass sie den anderen zuhören und aufeinander eingehen. Es war ein hartes Stück
Arbeit. Mit der Zeit wurde die Entspannung spürbar. Die Kinder konnten jetzt
das kleine Einmaleins und beherrschten den Zahlenraum von 1 bis 1000. Sie
hatten die vorher katastrophale Rechtschreibung verbessert, den Wortschatz
vergrössert und schrieben nun leserliche Sätze in der Schulschrift.»
Dies wären eigentlich
die Lernziele in den ersten drei Jahren der Primarschule: wichtige Grundlagen
und die Voraussetzung dafür, dass in der vierten Klasse weiterführend darauf
aufgebaut werden kann.
Die Lehrerin, die ihre
Mittelstufenschüler nun abgegeben hat, bringt Verständnis für die betreffende
Lehrperson auf, es fehle ihr noch die Erfahrung und in der Ausbildung würden
nur noch diese aufgabenbasierten, selbstentdeckenden Methoden vermittelt. Der
vom Lehrer geführte Klassenunterricht wird heute von den 'Reformern' abgelehnt.
Sie beklagte jedoch, dass die negativen Auswirkungen dieser offenen
Unterrichtsformen, die bereits allerorten beobachtet werden, nicht zu einer
Debatte führen. Trotz der sichtbaren Defizite stellt man nicht etwa die
Lernmethode infrage, sondern es werden höchstens bessere Lernumgebungen und
angepasste Lehrmittel gefordert. Dies ist eine fatale Entwicklung. Als eine der
schlimmsten Folgen bezeichnete sie die Vereinzelung der Kinder, die immer mehr
auf sich selbst bezogen bleiben und die Verlorenheitsgefühle vor allem der
schwächeren unter ihnen.
Diese Kinder hatten das
Glück, ihre weiteren Schuljahre von einer Lehrerin unterrichtet zu werden, der
es gelungen ist, die Defizite aufzuarbeiten. Doch welches sind die Folgen für
all die anderen?
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