Je früher, deso besser? Apple und Samsung freuen sich! Südostschweiz Blog, 21.7. von Elisabeth Calcagnini
iPad statt Bauklötze, Bild: Keystone
Ob das wirklich Sinn macht, wage ich zu bezweifeln
und setze dazu ein grosses Fragezeichen! Auch der Lehrplan 21 bereitet den Weg
vor für die flächendeckende Einführung von iPads in den Schulen. Ist da doch
bereits für den 1. Zyklus (KG und 1./2. Klasse) als Kompetenz formuliert: «Die
Schülerinnen und Schüler können spielerisch und kreativ mit Medien
experimentieren.» Werden unsere Kindergärtner also in Zukunft statt mit Knete
zu formen und mit Klötzen zu bauen am Computer herumpröbeln? Wischen und tippen
können die heutigen Kids allerdings schon vor dem Kindergarten. Eine weitere
Kompetenz, die bereits für den 1. Zyklus vermerkt ist: «Die Schülerinnen und
Schüler können Werbung erkennen und über die Zielsetzung der Werbebotschaften
sprechen.» Früh übt sich, wer ein guter Konsument sein wird!
Im Modul «Medien und Informatik» des LP21 nehmen
die Anwenderkompetenzen eine vorrangige Stellung ein. Für den 2. Zyklus ist ein
Grundanspruch das Eingeben von Suchbegriffen zur «Recherche und
Lernunterstützung», «die Schülerinnen und Schüler können Informationen aus
verschiedenen Quellen gezielt beschaffen, auswählen und hinsichtlich Qualität
und Nutzen beurteilen». Die Frage ist jedoch, was macht das Kind mit den über
neun Millionen Einträgen, die beispielsweise zum Suchbegriff «Krokodil» auf dem
Bildschirm erscheinen?
Gerade durch den frühen Einsatz der Technik in der
Schule wird es den Kindern immer schwerer gemacht, eigene Erfahrungen zu
sammeln. Ihre Welt ist nicht weiter, sondern enger geworden.
Der Modullehrplan «Medien und Informatik»
favorisiert wie der ganze Lehrplan 21 auf dem Hintergrund des pädagogischen
Konstruktivismus das selbstorganisierte Lernen. So heisst es zum Beispiel in
den didaktischen Hinweisen: «Im Informatikunterricht hat das selbstständige
Entdecken einen ebenso grossen Stellenwert wie die Vermittlung von Wissen und
Methoden.»
Sogar die wirklich kindgemässen Tätigkeiten wie
Kuchen backen, basteln, spielen werden computerisiert, indem bereits
Kindergärtner und Unterstufenkinder im Bereich Informatik die Kompetenz haben
sollen, «... formale Anleitungen (zum Beispiel Koch- und Backrezepte, Spiel-
und Bastelanleitungen, Tanzchoreographien) zu erkennen und ihnen zu folgen».
Und wo bleiben die Kindergärtnerinnen? Gehen sie Kaffee trinken? Statt mit den
Kindern zusammen diese vergnüglichen Tätigkeiten anzuleiten und das
gemeinschaftliche Tun zu pflegen.
Medienkompetenz ist mehr, als den Computer gebrauchen
zu lernen.
Medienkompetenzerziehung ist notwendig und sehr
anspruchsvoll. Sie muss sich an den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen
in der Persönlichkeit des Kindes und der Reifeentwicklung der jeweiligen
Altersstufe orientieren. Am Ende dieses Prozesses steht eine Medienkompetenz,
die ihren Namen verdient. Wichtig ist eine gute Grundlage, ein sicheres
Fundament in den verschiedenen Bereichen unser Kulturtechniken: Deutsch,
Mathematik und ein breites Allgemeinwissen. Intellektuelle und emotionale
Grundfähigkeiten werden in einer gefühlsmässigen Auseinandersetzung erworben
und nicht am Computer. Dieser sollte erst zur Bewältigung von komplexeren
Aufgaben verwendet werden. Wird dieser Schritt zu früh oder auf einem
löcherigen Fundament gemacht, ist das ein Eigentor für alle, die den frühen
Einsatz von digitalen Medien in den Schulen fordern, wie das der Lehrplan 21
macht.
Wer die Neugier und den Wissensdurst von Kindergarten-Kindern kennt und ernst nehmen will, derr arrangiert die verschiedenen entwicklungspsychologischen Etappen NEBENEINANDER und nicht nacheinander. Sowohl als auch, statt entweder oder. - Und dann ist wie immer alles eine Frage des Masses (wieviel). Begleitet (reflektiert) oder alleine sich selbst überlassen (isoliert). - Es ist keine echte Alternative zu sagen: "Da darfst Du erst drauf drücken, wenn Du in der dritten Primarschulklasse bist ...".
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