21. Juli 2015

Tablet an Unterstufe - ein Eigentor

Die rasante Entwicklung der neuen Technologien mache es nötig, den Kindern so früh wie möglich den Umgang damit beizubringen. So wird es uns ständig suggeriert. Bereits laufen, wohlverstanden gesponsert von Samsung und Apple, auch hierzulande die Bemühungen in diese Richtung, was für die IT-Riesen ein sehr einträgliches Geschäft sein wird. Die Pädagogische Hochschule Zürich kommt den Multis freundlich entgegen und bot im Juni einen Kurs an: «Das iPad in Kindergarten und Unterstufe, sinnvolle Einsatzmöglichkeiten». 



Je früher, deso besser? Apple und Samsung freuen sich! Südostschweiz Blog, 21.7. von Elisabeth Calcagnini

iPad statt Bauklötze, Bild: Keystone






Ob das wirklich Sinn macht, wage ich zu bezweifeln und setze dazu ein grosses Fragezeichen! Auch der Lehrplan 21 bereitet den Weg vor für die flächendeckende Einführung von iPads in den Schulen. Ist da doch bereits für den 1. Zyklus (KG und 1./2. Klasse) als Kompetenz formuliert: «Die Schülerinnen und Schüler können spielerisch und kreativ mit Medien experimentieren.» Werden unsere Kindergärtner also in Zukunft statt mit Knete zu formen und mit Klötzen zu bauen am Computer herumpröbeln? Wischen und tippen können die heutigen Kids allerdings schon vor dem Kindergarten. Eine weitere Kompetenz, die bereits für den 1. Zyklus vermerkt ist: «Die Schülerinnen und Schüler können Werbung erkennen und über die Zielsetzung der Werbebotschaften sprechen.» Früh übt sich, wer ein guter Konsument sein wird!

Im Modul «Medien und Informatik» des LP21 nehmen die Anwenderkompetenzen eine vorrangige Stellung ein. Für den 2. Zyklus ist ein Grundanspruch das Eingeben von Suchbegriffen zur «Recherche und Lernunterstützung», «die Schülerinnen und Schüler können Informationen aus verschiedenen Quellen gezielt beschaffen, auswählen und hinsichtlich Qualität und Nutzen beurteilen». Die Frage ist jedoch, was macht das Kind mit den über neun Millionen Einträgen, die beispielsweise zum Suchbegriff «Krokodil» auf dem Bildschirm erscheinen?
Gerade durch den frühen Einsatz der Technik in der Schule wird es den Kindern immer schwerer gemacht, eigene Erfahrungen zu sammeln. Ihre Welt ist nicht weiter, sondern enger geworden.
Der Modullehrplan «Medien und Informatik» favorisiert wie der ganze Lehrplan 21 auf dem Hintergrund des pädagogischen Konstruktivismus das selbstorganisierte Lernen. So heisst es zum Beispiel in den didaktischen Hinweisen: «Im Informatikunterricht hat das selbstständige Entdecken einen ebenso grossen Stellenwert wie die Vermittlung von Wissen und Methoden.»
Sogar die wirklich kindgemässen Tätigkeiten wie Kuchen backen, basteln, spielen werden computerisiert, indem bereits Kindergärtner und Unterstufenkinder im Bereich Informatik die Kompetenz haben sollen, «... formale Anleitungen (zum Beispiel Koch- und Backrezepte, Spiel- und Bastelanleitungen, Tanzchoreographien) zu erkennen und ihnen zu folgen». Und wo bleiben die Kindergärtnerinnen? Gehen sie Kaffee trinken? Statt mit den Kindern zusammen diese vergnüglichen Tätigkeiten anzuleiten und das gemeinschaftliche Tun zu pflegen.

Medienkompetenz ist mehr, als den Computer gebrauchen zu lernen.

Medienkompetenzerziehung ist notwendig und sehr anspruchsvoll. Sie muss sich an den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen in der Persönlichkeit des Kindes und der Reifeentwicklung der jeweiligen Altersstufe orientieren. Am Ende dieses Prozesses steht eine Medienkompetenz, die ihren Namen verdient. Wichtig ist eine gute Grundlage, ein sicheres Fundament in den verschiedenen Bereichen unser Kulturtechniken: Deutsch, Mathematik und ein breites Allgemeinwissen. Intellektuelle und emotionale Grundfähigkeiten werden in einer gefühlsmässigen Auseinandersetzung erworben und nicht am Computer. Dieser sollte erst zur Bewältigung von komplexeren Aufgaben verwendet werden. Wird dieser Schritt zu früh oder auf einem löcherigen Fundament gemacht, ist das ein Eigentor für alle, die den frühen Einsatz von digitalen Medien in den Schulen fordern, wie das der Lehrplan 21 macht.

1 Kommentar:

  1. Wer die Neugier und den Wissensdurst von Kindergarten-Kindern kennt und ernst nehmen will, derr arrangiert die verschiedenen entwicklungspsychologischen Etappen NEBENEINANDER und nicht nacheinander. Sowohl als auch, statt entweder oder. - Und dann ist wie immer alles eine Frage des Masses (wieviel). Begleitet (reflektiert) oder alleine sich selbst überlassen (isoliert). - Es ist keine echte Alternative zu sagen: "Da darfst Du erst drauf drücken, wenn Du in der dritten Primarschulklasse bist ...".

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