20. Juni 2015

"Unumgängliche Massnahme"

Die Baselbieter Regierung möchte eine befristete Pensenerhöhung der Lehrer unbefristet weiterführen und nimmt Frustration in Kauf.
Sparen ist für die Regierung wichtiger als die Nöte der Lehrer, BZ Basel, 18.6. von Michael Nittnaus


Es ist ein vernichtendes Fazit, das die Befragung der Schulleitungen der Baselbieter Sekundarschulen, Gymnasien und Berufsfachschulen zutage förderte: «Schulklima, Stimmung und Motivation, sich über den eigentlichen Unterricht hinaus am Schulgeschehen zu beteiligen, haben unter der Erhöhung der Unterrichtspensen stark gelitten, allgemeine Unzufriedenheit, Frustration und Ablehnung der schulischen Aufsichtsgremien sind deutlich gestiegen.»
Die ausführliche Evaluation der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) – die gestern Mittwoch mit dem Start der Vernehmlassung der Vorlage publiziert wurde – sollte der Regierung eigentlich als Grundlage dienen, um zu entscheiden, ob die seit 2013 für drei Jahre befristet eingeführte zusätzliche Pflichtstunde pro Woche ab 2016 weitergeführt werden kann. Denn immerhin wird dadurch der Staatshaushalt jährlich um 3,5 Millionen Franken entlastet.
Die Empfehlung der Regierung überrascht: Obwohl explizit festgehalten wird, dass die Schulleitungen es «in hohem Masse begrüssen, wenn die Pensenerhöhung zurückgenommen würde», hält die Regierung daran fest. Die «Schweiz am Sonntag» nannte dies im April «die letzte Sparmassnahme» des abtretenden Bildungsdirektors Urs Wüthrich. Doch gegenüber der bz betont dieser: «Ich persönlich finde das problematisch für die Schulen. Es ist eine ausdrücklich unsympathische Massnahme.» Wüthrich nennt es denn auch konsequent eine Entscheidung des gesamten Regierungsrates.
Ein Argument hat dabei alles andere übertrumpft: «Die Massnahme ist im aktuellen finanzpolitischen Umfeld Basellands unumgänglich. Die Regierung hat keine Wahl», so der Bildungsdirektor. Er verweist zudem darauf, dass die Evaluation nicht vom Regierungs- sondern vom Landrat verlangt wurde. Für den Lehrerverein Baselland (LVB) ändert das nichts: «Die Evaluation hätte weiss Gott was hervorbringen können. Es ging der Regierung nie um Argumente, sondern nur ums Sparen», sagt LVB-Geschäftsführer Michael Weiss. Für ihn ist klar: Schafft die Vorlage nach der dreimonatigen Vernehmlassung auch die Hürde Landrat, und wird sie umgesetzt, werden die Lehrer dies nicht ohne weiteres hinnehmen. «Dann können wir nicht mehr gleich viel leisten.»
Leistungsabbau unausweichlich
Das weiss auch Wüthrich, selbst wenn er anmerkt, dass die Jahresarbeitszeit der Lehrer immer gleich geblieben ist, sie also die zusätzliche Unterrichtsstunde in anderen Bereichen – etwa Schulverwaltung, -entwicklung, Teamarbeit – kompensieren durften. Auch erhalten Klassenlehrer eine Stunde gutgeschrieben. Die FHNW-Studie zeigt aber, dass die Reduktion in anderen Bereichen von den Lehrern sogar als «zusätzliche Beschneidung» empfunden wurden statt als Entlastung. Wüthrich pflichtet daher Weiss bei: «Wenn wir die Zufriedenheit der Lehrer verbessern wollen, geht das nur über Leistungsabbau.» Einig sind sich Lehrervertreter und Regierung deshalb darin, dass der Berufsauftrag bis 2019 neu definiert werden muss. Weiss warnt allerdings bereits vor langwierigen Konflikten, wen es ums Wie geht.
Gleichzeitig in die Vernehmlassung geschickt wird die Vorlage, durch die Aufhebung der altersabhängigen Unterrichtsentlastung ab 2017 jährlich nochmals 3,5 Millionen Franken zu sparen. 1,1 Millionen davon würden aber den Schulen für deren Entwicklung zufliessen. Für Weiss ein Unding: «Damit stünde Baselland mit dem Tessin schweizweit alleine da.» Er vermisst den Respekt gegenüber jenen, die seit Jahrzehnten für den Kanton arbeiten.







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