1. Juni 2015

Fatale Fehler

Die Schule ist im Wandel – und die massiven Bildungsreformen im Kanton Baselland stehen von links bis rechts in grosser Kritik. Denn die Umsetzung der Schulrefom bedeutet auch einen ideologischen Wechsel der Bildungsphilosophie. Weil so vieles so schlecht läuft, haben sich bei den Eltern ein grosses Unbehagen und ein Vertrauensverlust breitgemacht. Drei Beispiele:

Frustration statt Lernerfolg: Französischunterricht an einer Schweizer Schule, Bild: Gaetan Bally
Die fatalen Fehler einer Schulreform, Tages Anzeiger, 1.6. von Karin Näf



Albtraum Zwangsverschiebungen
Fünf Gehminuten von der Sekundarschule Allschwil entfernt wohnen wir. Gleichwohl sollte unser Sohn nach Oberwil zwangsverschoben werden, damit die dortige Klasse randvoll aufgefüllt wird und damit Kosten gespart werden können. Dadurch wurde der Schulweg für den 11-Jährigen um ein Vielfaches länger. Der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) gewährte uns und anderen betroffenen Eltern schliesslich ein persönliches Gespräch – genutzt hat es aber nichts. Der Bildungsdirektor proklamierte zwar, wenn so etwas seinen Töchtern passieren würde, ginge er ebenfalls auf die Barrikaden. Verständlich, denn auf seiner eigenen Website propagiert er ein Dorf mit Post, Kirche, Schulen usw. – «alles in Fussgängernähe» als Lebensqualität. Doch in unserem Fall blieben Wüthrich und die Chefbeamten des Amts für Volksschulen trotz ihrer markigen Worte stur und beharrten auf der Zwangsverschiebung unseres Sohnes. Uns blieb nur noch der Weg vor das Gericht. Aus formaljuristischen Gründen erhielten wir recht. Einer der Richter bezeichnete solche Verschiebungen gar als «Unding».
Fatale Ausrichtung des Französisch-Lehrmittels
Nun sind vier Jahr vergangen. In diesem Sommer schliesst unser Sohn die Sekundarschule in unserer Gemeinde ab: In Französisch genoss er einen leichten, klaren Einstieg. Dem folgte ein systematischer grammatikalischer Aufbau mit einem roten Faden, der es ihm ermöglichte, schnelle Fortschritte mit einem alltagstauglichen Wortschatz zu erzielen. Ganz anders sieht es bei meiner Tochter aus. Sie besucht zurzeit die 5. Primarklasse. Sie hat Mühe mit dem neuen Fremdsprachenkonzept, weil eine klare Struktur ebenso fehlt wie ein Wortschatzaufbau. Dafür muss sie hochspezialisierte Wörter wie «Blutlache» oder «Spukhaus» lernen.
Ohne intensive Unterstützungsarbeit der Eltern sind zahlreiche Kinder in diesem kompetenzorientierten System überfordert und frustriert. Ein Französischunterricht nach dieser Durcheinander-Philosophie überzeugt mich nicht und führt oft statt zum Erfolg zu Tränen. Jene Schulkinder, die nicht auf die Unterstützung ihrer Eltern zählen können, bleiben auf der Strecke. Selbst die erfahrene Lehrerin teilte den Schülern mit, sie fände das neue obligatorische Lehrmittel «Mille feuilles» auch nicht gut.
Informatik-Ausbildung ohne Computer
Dass die Umsetzung der aktuellen Schulreformen teils penible Züge annimmt, zeigt auch folgendes Beispiel. Weil die Primarschule über zu wenig Computer verfügt, sind den Eltern kurzerhand schriftlich zwei Varianten vorgeschlagen worden: Man kann sein Kind für einen Computerkurs an der Sekundarschule anmelden oder die Eltern können den entsprechenden Stoff, der notabene gemäss Lehrplan obligatorisch ist, mittels Anleitung der Schule zu Hause ihrem Kind selber beibringen. Wenn bereits solche Sparmassnahmen anstehen, dann frage ich mich, ob wir in zehn Jahren auch den Physik- und Geografiestoff unseren Kindern selber beibringen müssen.

*Karin Näf ist Mutter von drei schulpflichtigen Kindern (7, 12 und 15 Jahre alt). Die gelernte Grafikerin lebt in Allschwil und ist Mitglied der neu gegründeten Partei Grüne-Unabhängige.

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