15. Mai 2015

Ferien zulasten der Lehrer

Der Kanton Thurgau erhöht die Anzahl Ferienwochen von 12 auf 13. Doch davon profitieren die Lehrer nicht, im Gegenteil.





"Ein politischer Deal zulasten der Lehrer", Bild: Peter Schneider

Lehrer wollen nicht mehr Ferien, St. Galler Tagblatt, 13.5. von Michèle Vaterlaus


Auf den ersten Blick scheint das Ganze eine tolle Sache für die Lehrer zu sein: Mit der Änderung des Gesetzes über die Volksschule gibt es eine Woche mehr Ferien, das heisst 13 statt 12 Wochen. So steht es in der Botschaft, die der Regierungsrat dem Grossen Rat unterbreitet hat. Doch das sei verzerrt, sagt Anne Varenne, Präsidentin des Verbandes Bildung Thurgau. Sie atmet tief durch und sagt: «Das Ganze ist ein politischer Deal zulasten der Lehrer.» Im Endeffekt sei das nämlich so: «Nur die Schüler erhalten mehr Ferien.»
Knapp sechs Tage mehr Arbeit
Die Lehrer hingegen würden mit Mehrarbeit belastet. Diese belaufe sich auf knapp sechs Tage im Jahr. Anne Varenne berechnet das folgendermassen: Über die kommenden zehn Jahre bekommen sie durch die zusätzliche Ferienwoche zu Weihnachten im Schnitt 2,6 Tage mehr unterrichtsfreie Tage im Jahr. Aber im Gesetz sind neu «maximal acht gemeinsame Arbeitstage» für die Lehrer festgeschrieben, und Schulanlässe an Samstagen können nicht mehr kompensiert werden. «Lehrer werden so noch mehr belastet, obwohl das Lehrpersonal der Thurgauer Volksschulen schweizweit fast am meisten Jahreslektionen unterrichtet», sagt Varenne. Acht gemeinsame Arbeitstage seien darum zu viel. Zudem sei es nicht notwendig, dass diese Arbeitstage reglementiert werden. Die Lehrer hätten bewiesen, dass sie ohne gesetzliche Vorgaben die Aufgaben im Team erfüllten. In der Vernehmlassung letzten Herbst hat sich der Verband entsprechend geäussert. Er wollte die Zahl bei fünf festlegen. Doch darauf ist der Regierungsrat nicht eingegangen (siehe Kasten). Ebenfalls nicht eingegangen ist der Regierungsrat auf die Forderung, die Bezeichnung «Ferienwochen» wegzulassen. «Bisher wurde im Gesetz die Anzahl Unterrichtswochen festgelegt. Das soll so bleiben.» Anne Varenne verweist auf den Ruf von Lehrern als «Ferientechniker». «Viele Leute glauben, wir hätten zwölf Wochen Ferien. Dem ist nicht so.» Wie jeder andere Arbeitnehmer bezögen sie vier bis fünf Wochen Ferien pro Jahr. «Das andere ist unterrichtsfreie Arbeitszeit, in der wir uns weiterbilden, Planungen erstellen oder den Unterricht entwickeln.»
Es gibt eine Umverteilung
Felix Züst, Präsident des Verbandes Thurgauer Schulgemeinden, hat durchaus Verständnis für die Anliegen der Lehrer. «Es ist ein herausfordernder Beruf.» Doch von einer Mehrbelastung will er nichts wissen. «In der Summe haben die Lehrer auch nach der Einführung des neuen Gesetzes genügend Ferien.» Er erklärt zudem, dass er die Arbeitszeit anders betrachtet: «Ich gehe von einer Jahresarbeitszeit aus, und die wird sich nicht verändern. Durch Teile der Gesetzesänderung werden organisatorische Möglichkeiten geschaffen, die Arbeit in den Schulen anders zu gestalten.» Lehrer würden künftig beispielsweise zeitintensive Aufgaben nicht mehr in einem Konvent unter der Woche nach Schulschluss durchführen müssen. Sie können dies an einem unterrichtsfreien Tag tun, wie Züst erklärt. So könnten die Arbeit besser verteilt und auch Schulausfälle, die es doch hin und wieder gebe, vermieden werden. Des weiteren sieht er in den «gemeinsamen Arbeitstagen» ein Synergiepotenzial, das die Lehrer früher oder später entlasten wird. «Es können zum Beispiel Prüfungen oder Fachthemen vorbereitet und ausgetauscht werden.» Sowieso findet er, dass die Zusammenarbeit vielerorts Optimierungspotenzial hat, und er erklärt gleich: «Dies vor allem, wenn auf bevorstehende Projekte wie die Einführung des Lehrplans 21 geblickt wird.»


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