20. April 2015

Absage an Boni

Neuerdings erhalten Lehrerinnen und Lehrer für besonders gute Leistungen einen Bonus. 6 Millionen Franken werden Kanton und Gemeinden dieses Jahr für solche Einmalzulagen an die Volksschullehrer zahlen. Weil diese in der Privatwirtschaft weit verbreitete Art der Entschädigung für die Schule neu ist, hat der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) eine nicht repräsentative Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt. Geantwortet haben 450 von ihnen, das sind zwar nicht besonders viele, dennoch lässt das Umfrageresultat aufhorchen. Nur 28 Prozent stehen den Boni positiv gegenüber. Die grosse Mehrheit (72 Prozent) sagt grundsätzlich Nein, weil Boni die Missgunst fördere und weil die Verteilung willkürlich sei.



Lieber mehr Lohn als Boni, Bild: Sophie Stieger

Zürcher Lehrer schlagen Bonus aus, Tages Anzeiger, 20.4. von Daniel Schneebeli
Hintergrund der Lehrer-Boni ist nicht eine neue Grosszügigkeit, sondern die Abschaffung einer anderen Zulage. Bis 2014 bekamen Lehrpersonen, die mehrere Klassen gleichzeitig unterrichteten eine sogenannte Mehrklassen­zulage. In einer Mehrklasse mit zwei Jahrgängen gab es 3300 Franken, bei drei Jahrgängen und mehr waren es ­sogar 6700 Franken jährlich. Total kostete die Zulage rund 3 Millionen Franken, und es profitierten einige Hundert Lehrpersonen davon. Bis dahin war unbestritten, dass diese Lehrpersonen mehr vorbereiten mussten, dass sie intensiver gefordert würden im Unterricht als ­andere.
Kantonsrat strich Zulage
Doch mit den Schulreformen hat sich das geändert. Jetzt müssen alle Lehrpersonen schwierige Kinder aus Kleinklassen übernehmen, und es wird auch vermehrt individuelle Förderung verlangt. «Es ist heute sicher nicht weniger ­anspruchsvoll eine Sek-B-Klasse mit 25 Schülern zu unterrichten als eine Mehrklassenschule mit 12 oder 13 Kindern», sagt Martin Wendelspiess, der Chef des Volksschulamtes.
Dieser Ansicht war im Februar 2014 auch der Kantonsrat und ersetzte die Mehrklassenzulage durch eine Einmalzulage, von der alle Lehrpersonen profitieren können. Bereits damals wehrte sich ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch, die Einmalzulage bringe Querelen und Unfrieden ins System. Das Geld könne gar nicht gerecht verteilt werden: «Dieser Bonus löst kein Problem in einer schwierigen Klasse», sagte sie.
Maximal 8000 Franken
Um die Lehrpersonen den anderen Kantonsangestellten gleichzustellen, die ebenfalls Einmalzulagen bekommen können, musste allerdings der Total­betrag auf 6 Millionen verdoppelt ­werden. Gemäss Martin Wendelspiess stehen so für eine Durchschnittsschule mit 35 Vollzeitstellen jährlich rund 24'000 Franken für Zulagen zur Verfügung. Pro Person darf eine Zulage nicht tiefer als 500 und nicht höher als 8000 Franken sein.
Für die Verteilung sind die Schulpflegen zuständig – sie sprechen die Zulagen auf Antrag der Schulleiter an einzelne Lehrer. Gemäss der ZLV-Umfrage ist 31 Prozent der Lehrer jedoch unklar, wie das Geld verteilt wird. Der Rest kennt zwar die Kriterien, die es für einen ­Bonus braucht, doch viele sind damit nicht einverstanden. Noch andere sind der Ansicht, das Geld werde nicht nach den Kriterien, sondern nach Gutdünken verteilt.
Häufig werden laut Umfrage Mehrklassenlehrer und Lehrer mit grossen Klassen berücksichtigt. Das bestätigt Sarah Knüsel, Schulleiterin im Flaachtal und neue Präsidentin im Verband Zürcher Schulleiterinnen und Schulleiter. Oft würden aber auch Lehrer mit speziell schwierigen Klassen Einmalzulagen erhalten oder solche, die sich durch besonderen Einsatz oder Flexibilität hervorgetan hätten.
Knüsel befürwortet zwar die Boni, findet es aber stossend, dass das Geld immer vollständig verteilt werden muss. Denn: «Die meisten Lehrer arbeiten nicht besser mit diesem finanziellen Anreiz. Auch wenn mit der Zulage zu Recht honoriert wird, wenn eine Lehrperson mit vollem Engagement unterrichtet.» Zwingend ist für Knüsel, dass die Kriterien für die Verteilung allen bekannt sind. Viele Lehrpersonen wollen laut der Umfrage darüber hinaus auch wissen, wer einen Bonus bekommt.
Dies lehnt Martin Wendelspiess entschieden ab: «Es geht die anderen nichts an, wenn einer eine Einmalzulage bekommt.» Wendelspiess lehnt es auch ab, das Geld unter allen zu verteilen, wie es ein Teil der Lehrerschaft in der Umfrage wünscht. «Das würde dem Sinn der Einmalzulagen widersprechen», sagt der Chef des Volksschulamtes. Es sollen damit besondere Leistungen honoriert werden. Nicht zu den besonderen Leistung zählt, wenn ein Lehrer noch Materialwart oder IT-Fachmann ist. Dafür gibt es keinen Bonus, allerdings – so Wendelspiess – dürfen die Gemeinden diese Arbeiten aus den eigenen Kassen entschädigen, wenn sie wollen. Mit sogenannten Funktionszulagen.
Gemeinsam mit den Polizisten
Die zentrale Frage nach der Umfrage des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands lautet: Macht es überhaupt Sinn, den Lehrerinnen und Lehrern Zulagen zu zahlen, die sie gar nicht wünschen? «Wir wollen dieses Geld», sagt ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch. Am liebsten hätte es die Lehrerschaft in Form einer Lohnerhöhung. Doch da Lätzsch dies als illusorisch erachtet, wünscht sie einen anderen Verteilmechanismus. Etwa indem jedes Jahr ein Drittel aller Lehrpersonen berücksichtigt wird, erst die jungen, dann die erfahreneren und zum Schluss die ältesten.
Doch bevor der ZLV neue Forderungen stellt, will er sich mit anderen Verbänden absprechen. Denn laut Lätzsch sind die Einmalzulagen auch bei Berufsgruppen wie den Polizisten oder beim Gesundheitspersonal umstritten.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen