Die neugewählte Bildungsdirektorin Monica Gschwind im Gespräch mit Urs Wüthrich, Bild: Daniel Wahl
Der Reform-Schnellzug ist entgleist, Basler Zeitung, 14.2. von Thomas Dähler
Mit dem bürgerlichen Wahlerfolg hat sich im Baselbiet vor allem
eines verändert: Das Reformtempo an den Baselbieter Schulen wird markant
verlangsamt werden. Im Juli wird die Freisinnige Monica Gschwind die Bildungsdirektion
von Urs Wüthrich übernehmen. Der von ihr angekündigte Marschhalt bei den
Reformplänen der Volksschule wird damit Realität.
Das
ist auch gut so, denn die Baselbieter Schulen sind mit dem um ein Jahr
hinausgeschobenen Übertritt von der Primar- in die Sekundarschule bereits
genügend herausgefordert. Auch die noch nicht weit zurückliegende Einführung
der Frühfremdsprachen ist noch lange nicht gefestigt. Und die beschlossene
frühere Einschulung der Kindergärtler braucht ebenfalls Angewöhnungszeit.
Vom
ideologischen Ballast befreit
Die
vor acht Jahren eingeleitete Bildungsharmonisierung in der Schweiz gleicht
heute einem überhitzten Reformmotor. Dass mit Baselland jetzt ausgerechnet
jener Kanton eine Denkpause einlegt, der den Prozess seinerzeit angestossen
hat, könnte in der Schweiz durchaus als Signal wirken, von Übertreibungen
abzusehen. In der Nordwestschweiz jedenfalls dürfte der angekündigte
Reformstopp mehrheitlich positiv aufgenommen werden. Im Nachbarkanton Aargau
hat man von Anfang an ein weit gemächlicheres Tempo angeschlagen, und auch im
Kanton Solothurn haben die Proteste aus der Bevölkerung dazu geführt, dass
nichts überstürzt wird. Die Hoffnung ist durchaus berechtigt, dass die
Harmonisierung auf ein vernünftiges Mass zurückgestutzt wird. Einst angedacht
war nämlich einzig, den Familien, die über die Kantonsgrenze zügeln, den
Schulwechsel zu erleichtern.
Kaum
jemand ahnte bei der eidgenössischen Volksabstimmung im Mai 2006, wozu der
damals beschlossene Bildungsartikel in der Folge alles herhalten musste: Heute
berufen sich sämtliche Bildungsbürokraten zwischen Genf und St. Gallen für
jede mögliche Schulreform auf das überwältigende Ja von Volk und Ständen. Doch
seit sich herausgestellt hat, wie ruinös das Bildungsgebastel das bisher
funktionierende Schulsystem beschädigt, wird auf die Bremse gedrückt. Davon zeugt
auch die Kurskorrektur, welche die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren beim
Lehrplan 21 vorgenommen haben. Das Werk der Bildungstheoretiker wurde
inzwischen nicht nur gekürzt, sondern auch vereinfacht und von ideologischem
Ballast befreit.
Was
von Schulreformern aus dem linken Lager als Reformanleitung an alle Kantone
ausgedacht war, mutierte nach der Überarbeitung durch die Erziehungsdirektoren
zum «Kompass», wie Christian Amsler, der Präsident der Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren, meint. «Der Lehrplan 21 ist in erster Linie ein
Instrument zur Harmonisierung der Volksschule und keine Schulreform», steht
jetzt im Vorspann des nachgebesserten Lehrplans 21.
Die
grösste Herausforderung der Baselbieter Bildungspolitik der nächsten Jahre ist
die Eindämmung der Kosten, die zurzeit aus dem Ruder laufen: Die vielen
Reformen beschäftigen eine überdimensionierte kantonale Verwaltung, der
Reformkurs hat eine zu teure Weiterbildungswelle ausgelöst, das Supportangebot
für nicht ganz verhaltenskonforme Schüler befeuert zurzeit eine ständig
wachsende Nachfrage, und sowohl die Universität als auch die Fachhochschule
sind auf etwas gar starkem Wachstumskurs. Die neue Regierung wird nicht darum
herumkommen, eingeleitete Entwicklungen zu beenden und nicht für alles Wünschbare
neue finanzielle Mittel freizugeben. Schon nur die Entschleunigung des
Reformkurses dürfte hier Wirkung zeigen.
Überflüssige
Ratschläge
Anders
als die Starke Schule Baselland hat sich Monica Gschwind im Wahlkampf nie
grundsätzlich gegen den Lehrplan 21 ausgesprochen, in den der Kanton Baselland
bereits erhebliche Mittel investiert hat. Es ist deshalb davon auszugehen, dass
sich die neue Bildungsdirektorin Zeit nehmen wird, den Lehrplan zusammen mit
den Betroffenen auf die Bedürfnisse des Kantons anzupassen. Dabei ist es ihr
wichtig, wie Gschwind im Wahlkampf betont hat, dass in der Sekundarschule
Lernziele verfolgt werden, die auf die einzelnen Niveaus zugeschnitten sind.
Mit dem Abschied von Bildungsdirektor Urs Wüthrich dürfte definitiv vom Umbau der
Sekundarschule in eine Art Gesamtschule Abschied genommen werden.
Es
ist verständlich, dass das Komitee Starke Schule Baselland den Wahlsieg von
Monica Gschwind gefeiert hat, als ob es selber die Macht in der
Bildungsdirektion übernimmt. Doch die diese Woche per Pressemitteilung
verschickten Ratschläge an die neue Bildungsdirektorin sind gänzlich
überflüssig: Gschwind braucht keine Anweisungen. Sie hat ihre Bildungspolitik
im Wahlkampf erläutert und wird sie umsetzen. Der Wechsel an der Spitze der Bildungsdirektion
erfolgt rechtzeitig: Aufgegleist ist der Strukturwechsel, der das Baselbiet an
die übrigen Kantone heranführt, alles Weitere ist noch offen. Wenn die Starke
Schule Gschwind wirklich unterstützen will, sollte sie ihre Initiativen, die
weit über das Ziel hinausschiessen, zurückziehen. Das wäre ein echter
Vertrauensbeweis an die Adresse der neuen Bildungsdirektorin – und ein
Beitrag zu weniger Aufregung in den Schulen.
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