1. Februar 2015

Referenzen statt Strafregister

Der neue Strafregisterauszug für Lehrer ist noch nicht bei den Schulen angekommen. Die meisten Schulen verzichten auf die systematische Prüfung des strafrechtlichen Vorlebens.





In Zürich und Basel-Stadt werden systematisch Strafregisterauszüge eingeholt, Bild: Oliver Heinl

Pädophilen-Prävention harzt, NZZaS, 1.2. von Tobias Bär



«Besserer Schutz dank Sonderprivatauszug» - so kündigte der Bund per Anfang dieses Jahres den speziellen Strafregisterauszug für Personen an, die beruflich oder in ihrer Freizeit mit Minderjährigen zu tun haben. Also für Lehrer, Fussballtrainer oder auch Betreuer in einer Kindertagesstätte. Auf diesem Auszug ist nur ersichtlich, ob ein Berufsverbot vorliegt - oder ein Tätigkeitsverbot mit allfälligem Kontakt- und Rayonverbot, wie es die Gerichte seit Anfang Jahr verhängen können. Andere Vorstrafen wie beispielsweise Verkehrsdelikte bleiben dem Arbeitgeber verborgen.
Damit der neue Auszug die versprochene Schutzwirkung entfalten kann, müssen die Schulen und Heime diesen aber auch verlangen. Anfänglich wollte der Bundesrat die Institutionen dazu verpflichten, beliess es dann aber bei der Freiwilligkeit.
Rund 100 Bestellungen
Und das Interesse am freiwilligen Sonderprivatauszug ist bis jetzt gering. Beim Bundesamt für Justiz gingen im ersten Monat rund 100 Bestellungen ein. Die Neuerung habe sich offenbar noch nicht herumgesprochen, heisst es dort. Dieser Eindruck bestätigt sich bei einer Umfrage unter den Schulleitern. Vielen ist der neu geschaffene Auszug gänzlich unbekannt. «Die kantonalen Bildungsdirektionen müssen die Schulbehörden auf den Auszug aufmerksam machen», fordert deshalb der Präsident des Lehrerdachverbandes, Beat Zemp.
Gemäss Zemp hat die Debatte rund um die Pädophilen-Initiative aber ohnehin dazu geführt, «dass viele Schulen bereits einen herkömmlichen Strafregisterauszug verlangen». Tatsächlich geben aber von zehn angefragten Volksschulämtern nur jene in Zürich und Basel-Stadt an, in ihrem Kanton würden bei Anstellungen systematisch Strafregisterauszüge eingeholt. Vor allem in den kleinen Kantonen, aber auch in Solothurn, Luzern oder im Aargau ist das nicht der Fall. Dasselbe gilt für den Kanton Bern, obwohl die Erziehungsdirektion im Merkblatt «Sexuelle Ausbeutung» festhält: «Bei Neuanstellungen wird ein aktueller Strafregisterauszug angefordert.»
Beat Zemp beurteilt den neuen Sonderprivatauszug positiv: «Die Lehrer müssen damit nicht mehr ihr ganzes strafrechtliches Vorleben offenlegen, das keinen Zusammenhang mit der Tätigkeit hat.» Auch die angefragten Lehrerverbände betonen die Vorteile. Doch die meisten Schulleiter sehen derzeit keinen Anlass für eine Praxisänderung: «Entscheidend sind die Referenzen», sagt der Präsident des Schulleiterverbands Basel-Landschaft, Beat Lüthy, stellvertretend für viele seiner Kollegen. Ersttäter liessen sich auch mit dem neuen Instrument nicht verhindern, wird häufig argumentiert. «Wir kennen unsere Lehrer», heisst es im Kanton Uri.
Präventive Wirkung
Für Verdachtsfälle gebe es zudem die «schwarze Liste», die von der Erziehungsdirektorenkonferenz geführt wird. Die Liste enthält die Namen der Lehrer, denen ein Kanton die Unterrichtsbefugnis entzogen hat, wird aber auch kritisiert: «Die Liste ist willkürlich und unzuverlässig», sagt der Präsident des Nidwaldner Schulleiterverbands, Peter Baumann. Erika Haltiner von der Präventionsstelle Limita staunt über die Zurückhaltung der Schulen: «Das Einholen eines Strafregisterauszugs hat durchaus auch eine präventive Wirkung.» Damit signalisiere eine Institution, dass sie genau hinschaue.

«Wenn etwas passiert, schreien wieder alle nach Massnahmen», sagt Haltiner. Das zeigt sich am Beispiel Köniz, wo im Jahr 2013 ein Missbrauchsfall um einen Schulsozialarbeiter aufflog: Die Schulkommission der Berner Vorortsgemeinde erkundigte sich erst daraufhin beim Kanton, ob man allenfalls auch von bereits angestellten Lehrern nachträglich einen Strafregisterauszug verlangen könne.

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