17. Februar 2015

Grosse Nachfrage bei Talentklassen

Die Teilnehmerzahl eines Talentförderprogramms hat sich in acht Jahren vervierfacht. Gefördert werden Schüler aus den Bereichen Sport, Musik und Tanz.




Eine Lehrerin betreut die Schüler bei den Hausaufgaben, Bild: Thomas Peter

Talente starten trotz Schulpflicht durch, Berner Zeitung, 17.2. von Monique Iseli



Betritt Peter Rubeli ein Schulzimmer, in dem gerade eine Förderlektion im Rahmen des «Talent»-Programms stattfindet, ist er vom Eifer und vom Ehrgeiz der Jugendlichen fasziniert. «Ich staune über die Ernsthaftigkeit, mit der die Talente den Schulstoff wahrnehmen», erklärt der Schulleiter des Schulzentrums Kreuzfeld, Langenthal.
Alles unter einen Hut bringen
Dass sie nicht trödeln kann, weiss die Neuntklässlerin Mara Scherrer. Sie tanzt während mindestens elf Stunden pro Woche im Dance Center in Langenthal. Besonders in der achten Klasse habe sie oft unter Zeitdruck gelitten, sagt die talentierte Madiswilerin. Die angebotenen Förderlektionen konnte sie im letzten Schuljahr für Hausaufgaben nutzen. Für diese fand sie zuvor wegen des Trainings oft keine Zeit mehr. Im Lernatelier, das für die individuelle Berufsvorbereitung fest in den Stundenplan der Neuntklässler eingebaut ist, kann die 16-Jährige nun ihre Hausaufgaben erledigen. Ballett, Streetdance, Jazz, Hip-Hop, diverse Auftritte und Schule liessen sich so unter einen Hut bringen – «aber nur mit viel Selbstdisziplin», sagt Scherrer.
Vom Projekt zum Programm
Mit insgesamt 62 Talenten ist das Förderprogramm seit der Initiierung vor acht Jahren um mehr als das Vierfache gewachsen. Der Löwenanteil der Talente machen die 25 Eishockeyspieler des SC Langenthal sowie die 12 Fussballer des Teams Oberaargau Emmental aus. Zu den geförderten Zweit- bis Neuntklässlern im Schulzentrum Kreuzfeld zählen ausserdem Sportler aus den Disziplinen Kunstturnen, Leichtathletik, Schwimmen, rhythmische Gymnastik, Tennis und Eiskunstlauf. Aus der Musikschule nehmen zurzeit sechs, aus dem Dance Center drei Talente am Förderprogramm teil. «Von einem Projekt kann nicht mehr die Rede sein», sagt Rubeli. «Der Übergang zum Status Programm hat längst stattgefunden.» Was auf lokaler Ebene begonnen hat, ist nun überregional gefestigt. Zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit dem Tenniscenter Trimbach oder einem Fussballtalent der Berner Young Boys, das im Schulzentrum Kreuzfeld den Förderunterricht besucht.
Schon ein nächstes Projekt
Der für das Programm zuständige Fachrat, bestehend aus einem Mitglied der Schulkommission, den Schulleitern des Kreuzfeld 1 bis 4, einer Vertretung der jeweiligen Institutionen sowie dem Koordinator, arbeitet schon das nächste Projekt aus. Das Förderprogramm soll Einzug in weiterführenden Schulen halten, denn derzeit fehlt in Langenthal eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit.
Die 22 Mädchen und 40 Knaben, die dem Programm angehören, besuchen den regulären Schulunterricht. Für eine Dispensation reicht in ihrem Fall die Zustimmung des Koordinators, ein Gesuch an die Schulleitung ist nicht nötig. Um den verpassten Stoff nachzuholen oder individuell Hausaufgaben zu erledigen, stehen wöchentlich zehn Förderlektionen zur Verfügung. Zu den Ressourcen vom Kanton zählt nebst den Zusatzlektionen das 20-Prozent-Pensum des Programmkoordinators.
Um den Förderunterricht zu gewährleisten, braucht es qualifizierte Lehrkräfte. Probleme in der Mathematik, verpasster Französischstoff und Hausaufgaben in Geschichte behandeln die Talentschüler mithilfe der Förderlehrkraft. «Für den Zusatzunterricht brauchen wir Spezialisten sowie Generalisten», erklärt Stefan Götz, Koordinator des «Talent»-Programms und selber auch Förderlehrkraft. Der Oberstufenlehrer vermittelt zwischen Schülern, Eltern, Lehrern und Institutionen oder Vereinen und stellt jedem Talent einen individuellen Wochenplan zusammen. «Um eine Überlastung zu vermeiden, darf neben Schule und Sport oder Musik auch die Erholung nicht zu kurz kommen», betont Götz. Peter Rubeli stellt fest, dass schulischer und sportlicher Erfolg meist parallel verlaufen. «Typischerweise gibt es keine Schere zwischen Schule und Sport», erklärt er. «Die Leistungen in der Schule und diejenigen im Sport oder in der Musik befruchten sich gegenseitig.»
Auch Austauschschüler
So ist es auch bei Eishockeytalent Laurin Prosenz aus Österreich, der ebenfalls in Langenthal zur Schule geht. Nur im Französischunterricht hapert es beim Austauschschüler noch. «Da ich in Österreich nie Französisch hatte, bin ich im Rückstand», sagt der 15-Jährige, der bei einer Gastfamilie in Thunstetten wohnt. Er und ein kanadischer Eishockeykollege sind im Rahmen von «Talent» die ersten Austauschschüler im Schulzentrum Kreuzfeld. Sie weiten das Programm sogar auf eine internationale Ebene aus.


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