26. Oktober 2014

Schlechte Deutschnoten für die Romands

Die Welschen trauen sich kaum, Deutsch zu sprechen. Das Schuldeutsch reicht den wenigsten aus, um sich in der Deutschschweiz zu verständigen. Nun wollen die Kantone den Sprachunterricht stärken.







Nach sieben Jahren Deutschunterricht nicht fähig, sich zu verständigen, Bild: NZZ


Schlechte Deutschnoten für die Romands, NZZaS, 26.10. von René Donzé



Wenn es um den frühen Fremdsprachenunterricht in der Schweiz geht, haben die Romands die Nase eigentlich vorn. Sie haben bereits ab Ende der 1970er Jahre den Deutschunterricht in der fünften Klasse eingeführt. Mittlerweile wird in allen welschen Kantonen Frühdeutsch schon ab der dritten Klasse unterrichtet, und sie haben sich auf einen gemeinsamen Lehrplan geeinigt. Die Deutschschweiz hinkt dieser Entwicklung stets ein wenig hinterher.
Und doch ist es um die Deutschkenntnisse der Bevölkerung in der Romandie nicht sonderlich gut bestellt. Das ist nicht nur der subjektive Eindruck des Deutschschweizers in der Romandie (Text unten). Zu diesem Schluss kommt auch eine kürzlich durchgeführte Umfrage der «Association Défense du français». Rund zwei Drittel gaben an, dass das in der Schule vermittelte Deutsch nicht ausreiche, um sich zu verständigen. Man könne sich damit in der Deutschschweiz nicht einmal durchschlagen (Grafik). Bemerkenswert ist, dass die Meinung in allen Altersgruppen etwa gleich verteilt ist, egal, ob die Befragten schon Frühdeutsch hatten oder nicht. Die Association versteht sich zwar vor allem als Bollwerk gegen den Einzug des Englischen in der französischen Sprache. Doch hat sie ihre Umfrage vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Frühfremdsprachen ausgeweitet.
Das Resultat: Mit einem Verzicht auf Frühfranzösisch in der Deutschschweiz würde der nationale Zusammenhalt gefährdet. Und: Wichtigste Fremdsprache muss unbedingt eine zweite Landessprache sein. Das erstaunt nicht weiter. Aufhorchen lässt indes die schlechte Note für den eigenen Fremdsprachenunterricht. «Wir müssen Wege finden, wie wir das Deutsch unseren Schülern sympathischer vermitteln können», sagt der Neuenburger Ständerat und Präsident der «Association Défense du français», Didier Berberat. Damit liegt er auf einer Linie mit der Lehrerschaft. Georges Pasquier, Präsident der welchen Lehrergewerkschaft Syndicat des Enseignants Romands: «Wir haben schon vor Jahren davor gewarnt, dass der Deutschunterricht in unseren Schulen an die Wand gefahren wird.»
Deutsch ist in der Romandie ein Hauptfach, der Notendruck entsprechend gross, der Unterricht laut Pasquier eher trocken: «Es ist, wie wenn man jemandem, der auf einem Hocker sitzt, das Schwimmen beibringen will, und er erst ins Wasser darf, wenn er es kann.» Er fordert deshalb einen weniger verschulten Sprachunterricht, der die Lust an der Kommunikation fördert.
Die Waadtländer Staatsrätin Anne-Catherine Lyon, Chefin der welschen Erziehungsdirektorenkonferenz, will die Resultate der Befragung nicht so stark gewichten: «Wir bewerten unsere Schülerinnen und Schüler üblicherweise nicht über Umfragen, sondern mit Prüfungen, die uns einen seriöseren Einblick in ihren Wissensstand geben.» Laut Lyon wurde der Deutschunterricht in den letzten Jahren verstärkt. Dazu gehörten Erhöhungen der Stundenzahl, zeitgerechtere Lernziele, teilweise kleinere Gruppen und immersiver Unterricht. Schrittweise wird zudem ein neues Lehrmittel eingeführt. All das schlage sich in dieser Umfrage noch nicht nieder.
Sie räumt aber ein: «Die Deutschkenntnisse der Romands müssen verbessert werden.» Deshalb haben die welschen Erziehungsdirektoren eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Bildungsverwaltung und der Lehrerschaft eingesetzt. Demnächst wollen sie Massnahmen zur Stärkung des Deutschunterrichts präsentieren: «In gemeinsamen Empfehlungen der Welschschweizer Erziehungsdirektoren, die wir nächste Woche veröffentlichen, werden weitere Schritte bekanntgegeben», sagt Lyon, ohne konkreter zu werden.

Doch selbst wenn damit künftige Schulabgänger besser Deutsch sprechen könnten, bliebe ein Problem bestehen: «Die Deutschschweizer sprechen selber nicht gerne Hochdeutsch, weil das nicht ihre Herzenssprache ist», sagt Didier Berberat. Oft würden sie dann noch lieber ins Französische wechseln oder auf Englisch ausweichen. Vielleicht hat sich auch darum rund die Hälfte der Befragten dafür ausgesprochen, dass an den welschen Schulen obligatorische Kurse in «Schwiizertüütsch» angeboten werden.

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