17. Oktober 2014

Kleine Klasse, grosse Kosten

Das Zürcher Stimmvolk entscheidet am 30. November über die Klassengrössen-Initiative der EVP. Diese will die Klassengrösse auf 20 Kinder beschränken. Damit soll die Unterrichtsqualität verbessert werden.




Die heutige Richtzahl für Klassen liegt bei 25 Schülern, Bild: Georgios Kefalas


Kleine Klassen, grosse Kosten, NZZ, 17.10 von Florian Schoop



Am 30. November muss das Zürcher Stimmvolk gleich über zwei Bildungsfragen entscheiden. Vors Volk kommen die 2012 eingereichte Klassengrössen-Initiative der EVP sowie der Gegenvorschlag der Kommission für Bildung und Kultur (KBIK) des Kantonsrats. Dabei geht es um die Frage, ob die Schülerzahl pro Klasse auf 20 begrenzt werden soll.
Heterogenität als Problem
Eine solche Obergrenze will das Initiativkomitee, bestehend aus EVP, SP, dem Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), den Sekundarlehrkräften des Kantons Zürich sowie dem VPOD Zürich. Gefordert werden Entlastungsmassnahmen, sobald eine Klasse 20 Schülerinnen und Schüler oder mehr umfasst. Die heutige Richtzahl von 25 Kindern und Jugendlichen in einer Klasse sei deutlich zu hoch. Dass heute erst ab dem 29. Schüler Entlastungsmassnahmen ergriffen würden, sei nicht mehr zeitgemäss, hiess es am Donnerstag an einer Medienkonferenz der Initianten (siehe Kasten). Eine Anpassung dieses Werts sei aus drei Gründen nötig: Klassen seien heute viel heterogener, Kinder und Jugendliche wiesen oft unterschiedliche Lernstände auf, und Schüler mit Lernbehinderungen würden heute in die Regelklassen integriert. Kleinere Klassen führten zu einem besseren Lernerfolg, finden die Initianten. Dadurch könnten Lehrpersonen die einzelnen Schüler intensiver betreuen.
Das sieht der Grossteil des Zürcher Kantonsrats anders. Er hat im Juni den Gegenvorschlag der KBIK mit 98 zu 70 Stimmen angenommen. Darin ist ein leichtes Absenken des festgeschriebenen Durchschnittswerts für die Schülerzahl pro Lehrerstelle vorgesehen. So würden 100 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, die in einen kantonalen Pool kommen würden. Aus diesem könnten sich die Schulgemeinden bei ausgewiesenem Bedarf bedienen. Die Klassengrösse ist dabei nicht entscheidend. Denn auch für kleinere Klassen dürften diese Ressourcen beansprucht werden. Die Kosten würden sich auf 15 Millionen Franken belaufen. 80 Prozent davon müssten die Gemeinden, 20 Prozent der Kanton berappen. Der Gegenvorschlag erlaube es, dort zu löschen, wo es wirklich brenne, heisst es bei der KBIK. Zudem sei er um ein Vielfaches günstiger als die Umsetzung der Klassengrössen-Initiative, die Kosten von 120 Millionen Franken verursachen würde. Diese würde bloss nach dem Giesskannenprinzip verfahren und wäre schwierig umzusetzen. Aber auch die Folgen seien kaum abzuschätzen, vor allem beim gegenwärtigen Lehrermangel, immerhin brauche es rund 800 weitere Schulklassen und 1350 zusätzliche Lehrerstellen.
Diese Kritik sei ungerechtfertigt, findet das Ja-Komitee, zumal nicht 1350 Lehrpersonen, sondern «nur» deren 1000 benötigt würden. Auch die Kostenschätzung sei übertrieben. Es sei lediglich mit 89 Millionen statt um die 120 Millionen Franken Zusatzkosten zu rechnen. Die Ausgaben seien gerechtfertigt, da der Gegenvorschlag zu wenig weit führe. Er sei lediglich ein Notfallplan. Deshalb hat das Ja-Komitee die Initiative nicht zurückgezogen - obwohl es dem Gegenvorschlag zustimmte.
«Zu teuer, zu ineffizient»
Die FDP und die SVP lehnen indes die Klassengrössen-Initiative und den Gegenvorschlag ab. Bei der FDP heisst es, es sei nicht erwiesen, dass die Qualität durch kleinere Klassen gesteigert werden könne. «Gegenvorschlag wie Initiative sind ineffizient und kosten die Gemeinden nur viel Geld», sagt Sabine Wettstein-Studer, FDP-Kantonsrätin und Mitglied der KBIK. Ohnehin betrage die durchschnittliche Klassengrösse bereits heute 20,7 Schüler. Zudem seien kleine Klassen nicht per se einfacher zu führen. «Eine Klasse mit 18 Kindern kann mehr Probleme machen als eine mit 24.»
Auch die SVP kritisiert diese Pauschalisierung. «Eine Qualitätssteigerung durch die Reduktion der Klassengrösse erreichen zu wollen, ist absurd», sagt SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti, der wie Wettstein-Studer Mitglied bei der KBIK ist. Andere Kantone hätten bereits bessere Lösungen. Zudem erlaube der Blick auf das Budget keine solch hohen Ausgaben. Auch der Gegenvorschlag sei zu teuer. Das Argument der Initiativbefürworter, man spare immer an der Bildung, sei hingegen falsch. Man spare nicht an der Bildung, sondern in der Bildung, sagt Zanetti. Denn es werde zu viel Geld für Nebensächlichkeiten verwendet.


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