4. August 2014

Mehr politische Bildung

Überraschender Befund: Politische Bildung an den Schulen wird von einer deutlichen Mehrheit als wichtigster Faktor für eine stabile Demokratie gesehen. Eine Studie des gfs Bern empfiehlt darum eine politische Bildungsoffensive.



Nicht nur die Schulen, sondern auch das Elternhaus ist gefordert, Bild: SRF

Beitrag in der Tagesschau vom 3.8.




Welche Faktoren sind für ein stabiles politisches System in der Schweiz wichtig? Dieser Frage ist das Forschungsinstitut gfs.bern in einer Studie im Auftrag der Bank Julius Bär nachgegangen. Zwölf Reformideen standen zur Debatte. Darunter auch die Frage nach mehr Einigkeit im Bundesrat oder eine resolutere Aussenpolitik. Oder müsste der Bund das politische Milizsystem fördern, um ein stabiles Politsystem zu garantieren?
Der überraschende Befund der Studie ist die politische Bildung an den Schulen. Dieses Thema wird von allen Befragten mit Abstand am häufigsten genannt.
Bei der Umfrage im Mai gaben zwei Drittel der Befragten an, dass zuhause am Familientisch immer seltener über anstehende Volksabstimmungen diskutiert werde. Ebenso viele der Befragten sagten aber auch aus, dass politische Bildung nicht Sache der Eltern sein soll, sondern in der Schule erfolgen müsse.
80 Prozent der 1011 Befragten sehen mehr Schweizer Politik im Unterricht als wichtigsten Faktor für eine stabile Demokratie. Eine Mehrheit sieht den Stellenwert der politischen Bildung sogar gleich hoch wie das Fach Mathematik.
Das Resultat überrascht auch den Autor der Studie, Politologe Lukas Golder. «Das Überraschende ist im Kern etwas, das zur Schweiz passt. Es geht immer um die Bevölkerung.» Es gehe darum, die Leute zu begeistern, damit sie in der Miliz, in den Gemeinden mitmachen. Deshalb sei eine politische Bildungsoffensive in der Schule angezeigt, meint Golder.
Dazu müsste bereits auf Sekundarstufe über anstehende Volksabstimmungen diskutiert wird. Beim Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer (LCH) stösst diese Forderung auf offene Ohren.
Laut Beat W. Zemp, Präsident des LCH, gibt es bereits ganz gute Projekte, aber es fehlt am Geld, um sie flächendeckend einzuführen oder umzusetzen. Und für Zemp ist klar: «Die Kantone dürfen natürlich nicht weiter Sparmassnahmen aufgleisen und den Unterricht zusammenkürzen.»
Mit dem neuen Lehrplan 21 erhalte das Thema bald auch national mehr Gewicht. Das sagt der Präsident der Bildungskommission des Nationalrates, Matthias Aebischer (SP/BE). Im Lehrplan 21 sei die politische Bildung ein Thema. Zur Umsetzung brauche es aber auch Ressourcen. «Man kann nicht immer mehr von Lehrerinnen und Lehrern fordern und bei den Ressourcen sparen – das geht gar nicht», sagt Aebischer.
Das Forschungsinstitut gfs.bern versuchte praxisnahe Reformideen im Bereich der Schweizer Innenpolitik zu entwickeln. Zahlreiche der entwickelten Ideen fielen bei der ersten Expertenbefragung aus dem Rennen. Entweder waren sie wenig akzeptiert oder hatten nur geringe Realisierungschancen.
Für politische Reformen ist aus Expertensicht eindeutig die Stärkung der politischen Bildung nötig. Diese Idee schneidet aus Sicht der Bevölkerung am besten ab. Als weiteren Punkt für politische Reformen gibt es den Vorschlag für einen verstärkten Einsatz von Task-Forces. Solche Projektgruppen könnten für strategische Geschäfte auf Bundesebene in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesrat eingesetzt werden.
Mit einem schlagkräftigeren Bundesrat sind denn auch drei Viertel der befragten Stimmberechtigten einverstanden. Dieser Reformansatz wäre auch viel eher akzeptiert als zum Beispiel mehr Bundesräte oder die Stärkung der Position des Bundespräsidenten.
Die Studie des Forschungsinstituts soll am Montag allen Bundesparlamentariern per Post zugestellt werden – in der Hoffnung, dass sie mithelfen, ein «Polit-Bildungsfeuerwerk» zu zünden.


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