Offener Brief an die Redaktion des Bündner Schulblattes, Fritz Tschudi, 21.8.
Die jüngste Ausgabe des „Bündner
Schulblatt“ (August 2014/4) widmet sich dem flächendeckend umstrittenen
Thema „Kompetenzorientierung“.
In diesem Zusammenhang findet sich ein Beitrag mit dem Titel „Vom
Ausgeliefert-Sein zur Selbstwirksamkeit“. Mit „Ausgeliefert-Sein“ ist die
aktiv unterrichtende traditionelle Lehrperson gemeint. Der Text entpuppt sich
als reine Propaganda zur Proklamation des „pädagogischen Konstruktivismus“. Das
ist jene pädagogische Modeströmung, welche den aktiven Unterricht in seiner
heutigen bewährten Vielfalt abschaffen will. Stattdessen sollen Personen als Lerncoaches,
Trainer, Lernbegleiter, Lernberater, Spielkameraden, Sparringpartner, Kumpels
und Facilitatoren die Führungsrolle in den Klassenzimmern übernehmen. Die
Folgen sind höchst umstritten. Das pädagogische Mantra beruht denn auch eher
auf Glaubensbekenntnissen, als auf überzeugenden wissenschaftlichen
Erkenntnissen.
Die präsentierten Texte tragen die Handschrift von Hardcore-Vertretern
der neuen pädagogischen Doktrine. Es sind Einschätzungen, die nicht ohne Korrektiv
bleiben dürften.
Die Redaktion des Bündner Schulblattes handelte klar manipulativ.
Ich bitte deshalb die Redaktion um die Beantwortung folgender Fragen:
- Weshalb begünstigen Sie durch Ihre Autorenwahl,
eine Propagandaaktion zugunsten der höchst umstrittenen Mainstreampädagogik?
- Warum findet sich kein einziger kritischer Beitrag
zur Sicherstellung der Ausgewogenheit?
- Weiss die Redaktion um die Tatsache, dass eine
Fülle seriöser Autoren (auch wissenschaftliche) zur Verfügung steht, welche
die aktuellen pädagogischen Glaubensbekenntnisse widerlegen bzw. relativieren
könnten?
- Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass die
Kompetenzorientierung eines neuen Lehrplans nicht nur verzichtbar, sonder
in wesentlichen Belangen von Vorteil wäre?
- Sind Sie sich Ihrer Pflicht bewusst, die
Meinungsvielfalt und die Diskurse zu zentralen pädagogischen und schulpolitischen
Themen im Interesse der Sache anzuregen?
- Sind Sie sich bewusst, mit der aktuellen Publikationskultur
das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit als Interessenvertretung von Schule
und Lehrerschaft nachhaltig zu beschädigen?
Ich hoffe nicht, dass der Vorstand „Lehrpersonen
Graubünden“ (LEGR) darauf stolz wäre, sich als fremd gesteuertes Instrument
um die geistige Ruhigstellung der von ihm vertretenen Lehrerschaft zu bemühen.
In der Hoffnung auf mehr Eigenständigkeit und Mut!
Mit Bedauern
Fritz Tschudi, Chur
Der Bündner Lehrerverband (LEGR) gibt sich auch in anderen Sachthemen äusserst handzahm. So wurden zum Thema "Frühfremdsprachen" bereits zwei Mitgliederbefragungen durchgeführt. Beide Umfragen erreichten 90 Prozent Zustimmung für eine Primarfremdsprache. Doch zum Handeln ist dies dem LEGR offenbar immer noch zu wenig. Zu stark locken wohl die verschiedenen Pöstchen in der Administration, um sich hier die Finger zu verbrennen.
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